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An Auguste Gräfin zu Stolberg

[Frankfurt, 19. – 25. März 1775.]

Mir ist's wieder eine Zeit her für Wohl und Weh, dass ich nicht weis ob ich auf der Welt bin, und da ist mir's doch als wär ich im Himmel. Dies liebe [247] Schwester den 19. Merz Nachts um eilfe. Gute Nacht!

Den 23. Abends bald sieben. Ich komme von meiner Mutter herauf, noch einige Worte dir o du liebe. Heut nach Tisch kam dein Brief, eben da ich beym Braten gemurrt hatte, daß so lang keiner kam. Ich dancke dir tausendmal. um 2 Uhr musst ich zu einem verdrüslichen Geschäfft, da ging ich unter allerley Leuten herum und dacht an dich und schrieb mit Bleystifft beigehendes Zettelgen. So recht! Tritt und Schritt muss ich wissen von meinen lieben, denn ich bilde mir ein dass euch von mir das all auch so werth ist; also dancke dancke für die Schildrung dein und deines Lebens, wie wahr, wie voraus von mir gefühlt! – O könnt ich auch! – – Behalt mich lieb –

Jetzt bitt ich noch um die Silhouetten all deiner lieben, deines Ehlers der mir verzeihen soll dass ich ihm nicht schreibe, ich habe warrlich nimmer nichts zu sagen, nur ihr Mädgen kriegt mich doch wieder dran. Dann die Schattenrisse deiner Brüder von denen ich auch Briefe habe, meiner Brüder, und deiner innigen Freundinn. NB. alle wie sie auf der Wand gezeichnet worden ohnausgeschnitten.

Jezt gute Nacht und weg mit dem Fieber! – doch wenn du leidest, schreib mir – ich will alles theilen – o dann lass mich auch nicht stecken edle Seele zur Zeit der Trübsaal, die kommen könnte, wo ich dich flöhe und alle Lieben! Verfolge mich ich [248] bitte dich, verfolge mich mit deinen Briefe dann, und rette mich von mit selbst.

Auf beyliegendem Blättgen ist abgeschrieben das Bleystifft Zettelgen wovon ich vorhin sprach. Liebe! liebe! und so leb wohl. d. 25. Merz 1775.

Nicht doch du musst das Original haben! – Was wär' ein Kuss in Copia! –

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1775. An Auguste Gräfin zu Stolberg. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8102-8