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An den Großherzog Carl August

Ew. Königliche Hoheit

erlauben einen abermaligen unterthänigsten Vortrag.

Der Obrist von Eschwege zeigte bey seinem ersten Hierseyn unter andern Schätzen vier längliche Gläser, worin eine Anzahl chrystallisirter Diamanten befindlich, wovon einige besonders in die Augen fielen, so daß der Ankauf derselben wünschenswerth gewesen wäre; allein der Besitzer erklärte, daß dieses eine vorzügliche Sammlung sey, die er für sich selbst erlesen und davon also nichts einzeln ablassen könne.

Er hatte solche auf seiner Reise nach Wien und Berlin mitgenommen und es ward kund, daß an beiden Orten man deshalb im Handel gestanden; doch war man nicht übereingekommen und er brachte sie vollständig wieder zurück.

Nun aber mußte eine nähere Kenntniß dieser Steine immer wünschenswerth seyn, weil nicht leicht eine solche Gelegenheit wieder zu hoffen wäre, sich [216] von einem so wichtigen Naturproduct in dem Grade zu unterrichten, und eine Einsicht in den Werth derselben doch immer einer allenfallsigen Negotiation vorausgehen müßte.

Unterzeichneter hat daher den hier angestellten Genfer Soret zu Rathe gezogen, welcher in dem Hauy'schen, besonders die Crystallographie beachtenden System von Jugend auf unterrichtet und darin sehr bewandert ist. Man ging zusammen die sämmtlichen Edelsteine, an Zahl zweyundvierzig, durch, und es fand sich, daß wirklich ein Kenner diese Sammlung müsse zusammengebracht haben; da, wie aus beygehender genauer Beschreibung der einzelnen Crystalle sich zeigt, unter den sämmtlichen Stücken kaum eine Wiederholung vorkommt, sondern alle und jede in größter Verschiedenheit theils schon bekannte und beschriebene Crystallisation, darbieten, theils aber auch bisher den Crystallographen noch unbekannte merkwürdige Bildungen vorzeigen.

Hierüber ist nun das beyliegende ausführliche Protokoll geführt, woraus hervorgeht, daß siebenundzwanzig Stücke wegen der Gestalt, die übrigen wegen der Farbe bedeutend sind und daß also das Zusammenbleiben dieser Gebilde höchst wünschenswerth und der Ankauf des Schatzes zu so vielen andern nicht unräthlich sey.

Es kommt nun hauptsächlish darauf an, welchen Werth Ew. Königliche Hoheit selbst auf diese Acquisition [217] zu legen geruhen, indem bey wiederholter Rücksprache der Besitzer von dem Preise der hundert unddreyßig Louisdor abzugehen nicht vermocht werden konnte.

Würden aber die in Höchst Ihro Besitz schon befindlichen crystallisirten und farbigen Diamanten hinzugefügt, so wäre freylich ein nicht leicht gesehener Schatz zusammengebracht.

Unterzeichneter, der mit sich selbst in Zweifel ist, ob nicht Liebhaberey zu diesem Fache ihn die vorliegenden Gegenstände zu überschätzen veranlasse, übergibt das Ganze höchster Beurtheilung und gnädigster Entscheidung.

unterthänigst

Weimar den 29. November 1822.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1822. An den Großherzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-813A-A