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An Friedrich Schiller

Wie sehr wünschte ich grade über die vorliegende Frage mit Ihnen einen Abend zu conversiren, denn sie ist doch um vieles wichtiger als jene Quästion: in welcher Ordnung die Rüstung erscheinen soll. Ich fasse mich nur kurz zusammen und gehe über alles hinaus, worüber wir einig sind.

[330] Ich halte nach vielfältiger Überlegung das astrologische Motiv für besser als das neue.

Der astrologische Aberglaube ruht auf dem dunkeln Gefühl eines ungeheuren Weltganzen. Die Erfahrung spricht, daß die nächsten Gestirne einen entschiedenen Einfluß auf Witterung, Vegetation u.s.w. haben, man darf nur stufenweise immer aufwärts steigen und es läßt sich nicht sagen wo diese Wirkung aufhört. Findet doch der Astronom überall Störungen eines Gestirns durchs andere. Ist doch der Philosoph geneigt, ja genöthigt eine Wirkung auf das Entfernteste anzunehmen. So darf der Mensch im Vorgefühl seiner selbst nur immer etwas weiter schreiten und diese Einwirkung aufs sittliche, auf Glück und Unglück ausdehnen. Diesen und ähnlichen Wahn möchte ich nicht einmal Aberglauben nennen, er liegt unserer Natur so nahe, ist so leidlich und läßlich als irgend ein Glaube.

Nicht allein in gewissen Jahrhunderten, sondern auch in gewissen Epochen des Lebens, ja bey gewissen Naturen, tritt er öfter als man glauben kann, herein. Hat doch der verstorbne König in Preußen blos darum auf den Wallenstein gehofft, weil er erwartete daß dieses Wesen ernsthaft darin behandelt seyn würde.

Der moderne Orakel-Aberglaube hat auch manches poetische Gute, nur ist gerade diejenige Species, die Sie gewählt haben, dünkt mich, nicht die beste, sie gehört zu den Anagrammen, Chronodistichen, [331] Teufelswesen, die man rückwärts wie vorwärts lesen kann, und ist also aus einer geschmacklosen und pedantischen Verwandtschaft, an die man durch ihre incurable Trockenheit erinnert wird. Die Art wie Sie die Scene behandelt haben, hat mich wirklich im Anfang so bestochen daß ich diese Eigenschaften nicht merkte und nur erst durch Reflexion darauf kam. Übrigens mag ich nach meiner Theatererfahrung herumdenken wie ich will, so läßt sich dieses Buchstabenwesen nicht anschaulich machen. Die Lettern müssen entweder verschlungen seyn wie die M des Matthias. Die F müßte man in einen Kreis stellen, die man aber, wenn man sie auch noch so groß machte, von weiten nicht erkennen würde.

Das sind meine Bedenklichkeiten, zu denen ich nichts weiter hinzu füge. Ich habe mit Meyern darüber consultirt, welcher auch meiner Meynung ist. Nehmen Sie nun das beste heraus. Mein sehnlichster Wunsch ist, daß Ihre Arbeit fördern möge.

Meine zerstückelte Zeit bis Neujahr will ich so gut als möglich zu benutzen suchen. Das zweyte Stück der Propyläen ist nun ganz abgegangen. Manuscript zum dritten ist vorräthig, wovon etwa nur noch die Hälfte zu redigiren ist, ich werde mein möglichstes thun auch damit in drey Wochen fertig zu werden.

Zu dem vierten Stück habe ich einen besondern Einfall, den ich Ihnen communiciren will und überhaupt denke ich mich so einzurichten daß mir das[332] Frühjahr zu einer größern Arbeit frey bleibt. Die Schemata zur Chromatik hoffe ich mit Ihrem Beystand auch bald vorwärts zu bringen.

Und so geht ein närrisch mühsames Leben immer fort, wie das Märchen der Tausend und Eine Nacht, wo sich immer eine Fabel in die andere einschachtelt.

Leben Sie recht wohl und grüßen Sie die liebe Frau.

Weimar, am 8. Dec. 1798.

G.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1798. An Friedrich Schiller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8146-E