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An Friedrich Wilhelm Heinrich von Trebra

[Concept.]

Warum ich dir mein verehrter Freund gerade heute dieses Blatt ausfertige, da ich doch viel früher hätte[39] schreiben sollen, und auch noch immer hätte zaudern können, das muß ich dir mit wenigem erklären. Ich kam gerade gestern Abend über das Büchlein: Mineralienkabinett gesammlet und beschreiben von dem Verfasser der Erfahrungen vom Innren der Gebirge, und fühlte mich so wohl die längst bekannte Stimme durch das gegenwärtig betäubende Geräusch zu vernehmen. Ich bewundere wie du so manches lange voraus gesagt, welches zu bestätigen viele Jahre und die größten Entdeckungen der Physik und Chemie nicht weniger die Einleitung einer tiefern Theorie gehörten, ich will nur die Stelle von der Auflöslichkeit der Kieselerde erwähnen; diesen sonst so unantastbar scheinenden Körper sehen wir nun als Säure in unsern Compendien aufgeführt.

Jede Seide des lieben Büchleins führte mich auf die Anschauung der Natur, und auf die Würdigung meiner eigenen Sammlung hin worunter ich mich so vieler trefflicher Stücke erfreue, die ich deiner Vorsorge und deiner Nachsicht schuldig bin.

Vorigen Sommer war ich lange in deiner Nähe, aber die bedenklichen Zeitläufte ließen mich nur einen Kreis um dich her ziehen, ohne mich in den Mittelpunct zu wagen. Sehr gefreut hat es mich zu hören daß du bey so vielfach drohenden Ereignissen dich noch ziemlich leidlich befunden hast, die letzten Nachrichten erhielt ich durch Hofrath Klaproth. In jenem Sommertagen war mein Leibsteckenpferd, um mich dieses oft [40] gebrauchten aber immer vortrefflichen Worts zu bedienen, die Zinnformationen. Die Bergstädte Graupen, Zinnwalde, Altenberg habe ich zwar nur auf kurze Zeit aber emsig besucht und mich von der Gleichheit, der Ähnlichkeit und Verschiedenheit des Vorkommens jenes Urmetalles möglichst unterrichtet, auch was ich von Berg- und Gang-Arten zusammenbringen, und von schönen Crystallisationen der vorkommenden Mineralien anschaffen konnte mit mir geschleppt. Unter der letzten befinden sich vortreffliche Wolfram- und Tungstein-Crystalle, von diesen ist mir eine Pièce besonders lieb, weil sie das Gegenstück ist von einer die du Seite 136 lin. 8 beschreibst.

Als ich nach Hause kam ordnete und katalogirte ich dieß alles auf's sauberste indem ich auch die vor Jahren zusammengebrachte Schlackenwalder Sammlung hinzufügte, wodurch denn mit einiger Aufmerksamkeit und Sorgfalt eine gar lehrreiche Folge zusammenkommen kann.

Könntest du mir nun aus den Schätzen deiner Erkenntniß hierhin einen Beytrag geben, so würdest du mich sehr verbinden; es sey nun an aufklärenden Druckschriften, geschriebenen Notizen, merkwürdigen Stufen; wie ich denn von Marienberg, und überhaupt dem ganzen Strich von Altenberg bis an den Fichtelberg, als bis dahin sich die Zinnformation erstrecken soll, nichts besitze; auch habe ich einmal eine Karte gesehen worauf die Vertheilung des Zinns über die [41] Welt dargestellt war, eine Copie derselben würde mir sehr angenehm seyn. Du wirst vielleicht lächeln aber doch nicht unvernünftig finden, daß ich mich aus der Zeit in die Umwelt flüchte, wo zwar die Elemente, aber noch nicht die Menschen mit einander kämpften. Also muß man des Krieges Bitterkeit vertreiben. Du kennst gewiß den wackern Geheimrath Leonhard in Hanau und es macht dir Vergnügen zu hören, daß er und seine Freunde nur an den allgemeinen Drangsalen dieser Tage gelitten, aber keine besondern Leiden erfahren haben; das öffentliche Museum sowohl als die Sammlungen der einzelnen Naturforscher blieben verschont.

Sage mir bald wie du dich mit den lieben Deinigen befindest, gedenke meiner Zinnlust, dagegen soll auch um Weihnachten abermals ein Band der Tausend und einen Nacht meines wunderlichen Lebens aufwarten, und dich auf einige Stunden der Gegenwart entrücken.

W. d. 24. Nov. 1813.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1813. An Friedrich Wilhelm Heinrich von Trebra. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8150-5