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An August und Ottilie von Goethe

Jena d. 27. Juny
während des stärksten und
anhaltendsten Regens den ich lange
nicht gesehen habe. Mittag 1 Uhr.

Daß ihr Donnerstag nicht kamet zeugt mir von eurem sorgfältigen, warnenden Genius. Denn die schönen großen Krebse womit ich euch tractiren wollte waren in der Nacht desertirt, die Sandtorte dagegen sitzen geblieben. Mit den übrigen Wohlmeinenheiten ging es nicht viel besser. Möge nächsten Dienstag wo ich euch erwarte der Küchen-Zeitgeist mit unsern Wünschen nicht allzusehr in Opposition stehen.

Beyliegende Briefe bitte bald und sorgfältig zu bestellen. Unsere Geschäfte gehen zu zwey sehr rasch und wirksam fort, die nächsten vier Wochen sollen Wunder leisten. Hiezu wünsche aber mit Fachinger Wasser und weißem Wein vorzüglich begünstigt zu werden, das eine zu Befreyung des Geists, das andere zu dessen Anregung.

Den Elephanten hab' ich auch besucht und zwar in Gesellschaft von Renner; da hat es denn sehr schöne Bemerkungen gegeben und das Gewußte kam recht zum Bewußtseyn.

Klare Tage, Hitze, Gewitter haben wir abwechselnd erlebt. Das Heu ist sehr schön hereingekommen.

[150] Ottilie mag selbst versuchen Knebels Herz zu gewinnen. Gegen uns verleugnet er streng und steif jede Übersetzung aus Byron.

Lebet wohl und richtet euch ein daß ihr mir Mittwoch jedesmal zwey kalte, gebratene Hähnchen schickt damit ich früh und Abends etwas habe. Alles Gebratene ist hier versotten und verschmort, dagegen ich mich auch wieder mit Nixen und Müllerinnen zu euren Gunsten diplomatisch benehmen werde.

Über dem letzten Lachs der mir ganz und unausgeweiden überliefert wurde hat es wieder Händel mit dem herrschaftlichen Koch gegeben. Dagegen haben wir ein Präparat für comparirte Anatomie gewonnen von der größten Schönheit. Es war lustig zu sehen wie der Prosector den Köchen in die Hand arbeitete.

G.


Wär es Winter so mußte eine Somnambule den Tod des Elephanten weissagen und dieser müßte dann so regelmäßig sterben wie jene Majestät. Meine größte Freude wäre in dem Bauche des Ungeheuers den Professor und zwey Prosectoren emsig ihre Messer wetzen und brauchen zu sehen.

Eh ich schließe ist der Himmel wieder heiter und das schönste Wetter von der Welt.

Halb 3 Uhr Nachmittag.

Wie ihr seht werden meine Briefränder bald auf Wernerische Weise beschrieben seyn.
[151]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1817. An August und Ottilie von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8154-E