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An Friedrich Leopold Graf zu Stolberg

Du verzeihst daß ich solang geschwiegen habe. Dieser Monat war für mich reich und fruchtbar, aber auch so nah voll gepfropt daß ich kaum einen Blick in die Ferne werfen konnte.

Professor Moritz war auf seiner Rückreise von Rom sechs Wochen bey mir. Ein trefflicher Mann, dessen nähere Bekanntschaft ich jedem fühlenden und denckenden Menschen wünsche.

Ich nehme mehr Theil als du glaubst an der tröstlichen Erfahrung die mir dein Brief mittheilt: daß deine liebe Agnes in den letzten Zeiten, sich dir reiner, himmlischer, verklärter als in ihrem ganzen Leben dargestellt und daß Sie dir scheidend einen Vorschmack, eine Ahndung seligen und vollendeten Bleibens zurückgelassen.

Wenn ich auch gleich für meine Person an der Lehre des Lucrez mehr oder weniger hänge und alle meine Prätensionen in den Kreis des Lebens einschließe; [78] so erfreut und erquickt es mich doch immer sehr, wenn ich sehe daß die allmütterliche Natur für zärtliche Seelen auch zartere Laute und Anklänge in den Undulationen ihrer Harmonien leise tönen läßt und dem endlichen Menschen auf so manche Weise ein Mitgefühl des Ewigen und Unendlichen gönnt.

Grüße die deinigen und laß mich von Zeit zu Zeit erfahren wo du bist und wie dirs geht.

Die Herdern sagt mir: daß Ihr Antheil an den Auszügen im Merkur nehmt. Ich wünsche Euch von Zeit zu Zeit etwas angenehmes zu liefern. Bald erhaltet Ihr wieder einen Band meiner Schriften, auch habe ich eine Beschreibung des römischen Carnevals gearbeitet. Bertuch und Krause geben sie mit Kupfern heraus. Ich hoffe es wird niemand gereuen einen Blick auf dieß moderne Saturnal zu thun.

Lebe wohl. Nächstens mehr.

W. d. 2. Febr. 89.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1789. An Friedrich Leopold Graf zu Stolberg. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-815D-B