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An Friedrich Wilhelm Heinrich von Trebra

Die Berkaischen Mineralwasser nennt der alte kurze Ausdruck hepatisch; sie enthalten nach der neuern genauern und folglich weitläufigeren Terminologie stickgashaltiges Schwefelwasserstoffgas und kohlensaures Gas, und zwar ersteres in solcher Quantität, daß sie dem berühmten Wasser in Eylfen nahe kommen. Die fixen Bestandtheile sind verschiedentlich gesäuerter Kalk, Glaubersalz und Bittersalz. Das quantitative Verhältniß dieser letzteren ist noch nicht ausgemittelt.

Diese Schwefelwasser kommen stellenweise in einem Teiche vor. Schon seit zweyhundert Jahren hat man Nachricht, daß sie sich von Zeit zu zeit stärker oder schwächer gezeigt, sie wurden meist bey abgelassenem Teiche vor Beendigung der Fischerey den Fischen gefährlich und tödlich, manchmal sogar bey angelassenem Wasser.

Die Lage von Berka an der Ilm in geologischem Sinne ist mit vielen andern thüringischen übereinstimmend. Der Sandstein, der sich vom Waldgebürge her erstreckt, endigt hier sein Reich und wird abwechselnd von Gyps und Thon, diese aber sodann einfür allemal vom Flötzkalk bedeckt.

[231] Der Kessel, worin Berka liegt, ist in der Urzeit bey höher stehendem Wasserniveau durch die aus der Münchener Enge herströmenden, von dem vorragenden Schloßberg aufgehaltenen und wirbelweise in sich zurückkehrenden Fluthen gebildet, und zwar indem sich die Gewalt derselben am nordöstischen Rücken herwälzte, die ganze Fläche des Ilmlaufs und der Teiche von einer Seite ausspülte und auf der andern das schöne, fruchtbare Feld, gegenwärtig die Schmelzgrube genannt, aufschwemmte. Betrachtet man die sämmtlichen Umgebungen aufmerksam, so liegt jener ganzen Fläche, besonders aber den künstlich angelegten Teichen wahrscheinlich Thon und Gyps zum Grunde, welcher letztere dann wohl seinen Schwefelgehalt zu unserm Wasser hergeben mag.

Dieses Gyps- und Thonlager geht am Fuße des Schloßbergs zu Tage aus, wo sowohl reiner Strahlgyps und Fraueneis, als auch mit Thon vermischter Gyps sich findet. Und so wären denn nach der anerkannten Natur dieser Gebürgsgegend die Ingredenzien dieses Wassers gar wohl abzuleiten.

Über die Art jedoch, wie diese Wasser entspringen, sind die Meynungen getheilt. Ein Theil der Personen, die über diese Sache gedacht haben, nimmt eine Schwefelquelle an, die an einem höheren Orte irgendwo entspringt, sich alsdann in Sumpf, Moor und Teichschlamm ramificirt und zuletzt an verschiedenen Stellen zu Tage bringt.

[232] Die andere Meinung, der auch ich zugethan bin, steht die hier vorkommende chemische Wirkung nur als oberflächlich an. Es werden nämlich auf einer großen quellenreichen Fläche beständig sehr gesättigte Gypswasser erzeugt, die durch Einwirkung des Lichts und der Luft sich decomponirten Wassers abgeben. Diese Meinung wird dadurch um so mehr bestärkt, als man bey'm Bohren durch eine unterliegende Kiesschicht wieder frisches Wasser gefunden.

Ferner haben einige aus einer weiter unter liegenden eisen- und gypshaltigen Quelle geschöpfte Flaschen sich in hepatisches Wasser verwandelt, nachdem sie einige Zeit dem Licht ausgesetzt gewesen.

Doch dem sey wie ihm wolle, so können diese verschiedenen Meynungen keinen sonderlichen Einfluß auf die Anstalten haben, die man zu Benutzung dieses Wassers treffen könnte. Bis jetzt hat sich keine entschiedene, eine bedeutende Masse Wasser abgebende Quelle gezeigt; nur stellenweise findet sich mehr oder weniger geschwelltes Wasser auf der Oberfläche des seit einiger Zeit abgelassenen Teichs. Die Sumpfpflanze Chara, welche besonders solche Schwefelwasser liebt. ist jedoch weit ausgebreitet, und man erkennt daraus recht gut, daß auch jene chemische Naturwirkung, es sey nun auf eine oder andere Art, sich über eine große Fläche verbreitet.

[233] Hierauf bleibt also nichts weiter zu thun, als an einer schicklichen Stelle ein Reservoir anzulegen, damit man irgendwo einen Fonds von reinem Wasser habe.

Die Schicklichkeit dieser Anlage wird blos durch den Platz bestimmt werden, wo man das Badehaus anzulegen gedenkt. Das Reservoir wird in die Nähe desselben zu liegen kommen. Man würde sodann von allen Seiten des Teichs her Canäle, die sich durchkreuzen, mit dem Reservoir in Communication setzen, und es kommt darauf an, wie viel Wasser man auf diese Weise auf einen Punct hinziehen kann. Ob dieses hernach etwas stärker oder schwächer ist, dieß wäre von keiner großen Bedeutung, doch ließe sich nach meiner Meynung der Schwefelgehalt jener Wasser sehr vermehren, wenn man über die Canäle und über den zwischen ihren gelegenen Sumpf von Zeit zu Zeit gemahlenen Gyps ausstreute. Dieser, nach und nach aufgelöst, würde ein reichhaltiges Gypswasser hervorbringen und dieses sich wieder am Licht in Schwefelwasser verwandeln, und man hätte die Einwirkung von Regen, Schnee und dergleichen um desto weniger zu fürchten, weil sie nur dienen würden, das Gyps aufzulösen und sich zuletzt selbst in Schwefelwasser umändern müßten.

Sollte zum Angriff geschritten werden, so würde man zuerst den Ort des Badehauses bestimmen. Vorläufig wäre alsdann das Reservoir anzulegen und die[234] Gräben auf dasselbe los zu ziehen, wie deshalb ein flüchtiger Riß zu den Acten gegeben worden.

Indem ich auf Befehl Serenissimi vorstehendes Resumé über die Berkaischen Mineralwasser verfasste, so gedenke ich meines liebwerthen Freundes zum allertreulichsten und danke schönstens für die neuerlich übersendeten höchst interessanten Kupferstufen. Auch diese kugel- und traubenförmigen Bildungen haben sich innerhalb einer lockern Geistenart erzeugt; wie ich in der Champagne mit Händen greifen konnte, daß Schwefelkiese sich in dem Humus, in der Ackererde erzeugen. Auch diese waren ringsum crystallisirt, es zeigte sich kein Punct, wo sie angesessen hatten, die Christallisation war scharf und frisch und keins der Stücke gescheuert. Diese Erscheinungen werden uns bey näherer Kenntniß der chemisch-elektrischen Operationen, durch welche die Natur bis in's Innerste belebt und thätig ist, nicht allein erklärbar, sondern sie machen sich nothwendig und unentbehrlich. Seit wenigen Abenden lese ich wieder deine Erfahrungen von dem Innern der Gebirge und sehe mit Freude und Erstaunen, wie du vor dreyßig Jahre diese Dinge vorausgeschaut, angedeutet und geweissagt hast. – Und so ein fröhliches thätiges Leben in's neue Jahr hinein!

Weimar den 6. Januar 1813.

G. [235]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1813. An Friedrich Wilhelm Heinrich von Trebra. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8177-F