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An Pauline Schelling, geb. Gotter

Das Theater ist noch das vorige, geliebte Pauline; aber die Schauspieler sind andre, gewisse Persönchen vermißt man darunter gar sehr, besonders wenn man mit Augen sehen muß, was für neue Gestalten sich gegenwärtig an den lieben Orten herumtreiben. Ihre Zimmer im Wallfisch bewohnt Himmel und das ungeheure Meerwunder erstickt fast an diesem neuen Jonas. Auf dem Hammer war ich ein einzigmal mit Riemer in so abscheulichen Regen und Sturm, daß der Tag recht ausgesucht schien, um uns den Unterschied gegen frühere Stunden recht fühlbar zu machen.

Das Wetter ist wieder sehr schön und des Fahrens, Reitens, Spazierens vor meinen Fenstern und über die neue Johannisbrücke gar kein Ende, wobey Riemer sehr die Equipage der Freundinnen vermißt.

[347] Bringen wir übrigens nicht in Anschlag was uns abgeht, so müssen wir bekennen, daß uns manches Gute begegnet. Unter anderm muß ich Ihnen erzählen, daß ich eine sehr schöne Abbildung von Wallenstein erhalten habe. Auf dem Schlosse Friedland nämlich befindet sich eins in ganzer Figur. Dieses hat Prof. Bergler in Prag, ein sehr geschickter Mann, mir gezeichnet und sehr geistreich radirt. Es stimmt vollkommen mit dem Begriffe überein, den man sich von diesem merkwürdigen Manne bildet. Regelmäßige Züge, ernst, trocken und in den Augen etwas Bedenkliches. Ich freue mich Ihnen das Blatt gelegentlich sehen zu lassen. Auch außer diesem hat uns noch manches Interessante aufgesucht.

Möge die schöne Sonne, die uns gegenwärtig begünstigt, auch über Drackendorf scheinen, wie Sie früher unser kaltes und rauhes Wetter getheilt haben. Und so theilen Sie auch mit mir den Wunsch eines baldigen frohen Wiedersehens. Versuchen Sie einmal Sich ihn recht lebhaft auszudrücken und fühlen Sie, daß ich ein Gleiches thue. Leben Sie wohl, liebe Pauline!

Carlsbad, den 4, Juli 1810.

G. [348]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1810. An Pauline Schelling, geb. Gotter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-81B5-5