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An Betty Jacobi

[Frankfurt, Ende November 1773.]

Verzeihen Sie mir beste Frau meine Wische. Ein Händedruck ist ia immer werther als ein lang Compliment. Dafür gehts auch immer von Herzen wenn ich schreibe und wenn ich erst nachdenken oder studieren und rücken sollte: was? kriegten Sie in Ewigkeit keinen Brief. Mit der fahrenden kriegen Sie ein Allerley, darinn die folgenden Bogen zum Väterchen, davon Sie zum Troste Hrn. Jungs kristgläubiger Seele sagen können daß ichs nicht gemacht habe. Ich habs nicht gemacht Mamagen, aber ein Junge, den ich liebe wie meine Seele, und der ein trefflicher Junge ist. Aber warum richtet man nach den Wercken! Zwar steht geschrieben: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Aber sind das unsere Früchte was wir aufs Papier sudeln, geschrieben oder gedruckt. So viel, liebe Frau, weil ich wünschte dass Sie dem Verfasser des Vätergen gut blieben, und zugleich wüssten, dass ichs nicht binn. Sie haben den ehrlichen Jungen wieder bey sich, vielleicht hat ihn sein Cristelgen schon zurückgefordert, und Ihr lezter Knabe ist wohl und frisch hoff ich, weil Sie nichts davon schreiben. Ich kann mir Sie ohne den Knaben nicht dencken. Und dann mag ich mich gern nicht beklagen liebe Frau über meine gegenwärtigen Umstände, [127] dass wenn ich nicht neuerdings wieder bissiger geworden wäre ich gar nicht auslangte.

Ich habe gar keine Zeit meine Sinnen zu sammeln, und habe dazu ein Stückgen Arbeit angefangen, stricte für Sie, und alle liebe Seelen die Ihnen gleichen nicht zur Nahrung doch aber hoff ich zur Ergözung. Auf Fassnacht könnts anmarschieren, wenn die Sterne nicht gar grob zuwieder sind.

Grüßen Sie mir Lolotgen. Von meiner Schwester die Sie grüsst, werden Sie in Täntgens Briefe lesen, und die Gerocks haben Sie von Herzen lieb, sind aber übel dran. Kethgen ist kranck, die Antoinet hatt mehr Begierden, als für diesmal befriedigen werden können. Und ich meide sie, weil ich nichts bessers zu würcken Krafft habe. Daran liegts auch daß Sie noch kein Portrait haben. Adieu.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1773. An Betty Jacobi. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8217-0