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An Augustin Trapp

am. 28ten Jul.

Nichts weiß ich! Das wissen Sie dächt ich, lang, und fragen mich doch immer zu und verwundern sich wenn ich nicht antworte. So gern ich mich mit meinen Freunden, und besonders mit Ihnen unterrede so sehr hält mich mein unstetes Leben davon ab; komme ich ia dann einmal an die zubeantwortenden Briefe, und finde Fragen und Untersuchungen, denen ich nicht gewachsen binn, so nimmt meine Faulheit gerne daher eine Ursache, und schiebt eine Antwort ins weite. Ich lebe etwas in den Tag hinein, und dancken Gott dafür, und manchmal auch seinem Sohne wenn ich darf, daß ich in solchen Umständen binn die mir es aufzulegen scheinen. Wie wollen Sie nun daß ich Ihnen rahten soll, in einer Angelegenheit rathen soll, die so weit über meine Erfahrung geht; und noch dazu da ich nicht weiß, wie noch welche Person.

Was bliebe mir also übrig? Abzuhandeln, ob es gut sey, sich zu verheurathen oder nicht. Lieber Freund, diese allgemeinen Betrachtungen machen weder den einen noch den andern gescheuter als er ist, und Ihren Special Fall, kenne ich viel zu wenig, um nur Einen richtigen Gedancken haben zu können. Uberhaupt ist dieses eine von denen Gelegenheiten, wo unsre Klugheit, Weißheit, Grübeley, oder Unglauben, wie Sie es[240] nennen wollen, am wenigsten ausrichtet. Wer nicht wie Elieser, mit völliger Resignation in seines Gottes überall einfliesende Weissheit, das Schicksaal einer ganzen zukünftigen Welt dem Träncken der Kameele überlassen kann, der ist freylich übel dran, dem ist nicht zu helfen. Denn wie wollte dem zu rahten seyn der sich von Gott nicht will rahten lassen.

Freylich wird es Ihnen gehen, lieber Freund wie uns iungen Herren allen. Wir wollen unsre Väter nicht für uns freyen lassen, und sind nicht leicht auf dem Felde zu beten, wenn unsre Braut im Anzuge ist. Unsre Neigungen? Was wir thun sollen in Absicht auf sie? Narren sind sie diese unreife Bewegungen unsers Herzens, und Sie wissen ia was geschieht wenn man sich von solchen Compagnons bey der Nase herumführen läßt.

Ich könnte nun manches schöne Blümgen, manchen guten moralischen Gedancken, auch wohl manchen politischen bey dieser Gelegenheit anbringen, wenn ich den Wehrt der Worte nicht so gut kennte. Reflexionen sind eine sehr leichte Waare, mit Gebet dagegen ist's ein sehr einträglicher Handel; eine einzige Aufwallung des Herzens im Nahmen des, den wir inzwischen einen Herren nennen, biß wir ihn unsern Herrn betitteln können, und wir sind mit unzähligen Wohltahten überschüttet.

Noch etwas. Wie steht's mit Ihrer Gesundheit? ich bitte Sie sorgen Sie doch für diesen Leib mit anhaltender [241] Treue. Die Seele muß nun einmal durch diese Augen sehen, und wenn sie trüb sind, so ist's in der ganzen Welt Regenwetter.

Vielleicht weiß ich das so gut, als iemand. Es war eine Zeit da mir die Welt so voll Dornen schien, als Ihnen ietzo. Der Himmels Artzt hat das Feuer des Lebens in meinem Körper wieder gestärckt, Und Muth und Freude sind wieder da.

Es wird mit Ihnen auch noch so werden, wenn es ihr bestes ist. Leben Sie wohl. Und wenn Sie Sich auch nicht ganz in mich finden können, so braucht Sie das nicht zu bekümmern; überzeugen Sie Sich nur von der Wahrheit vollkommen, daß ich Ihr treuer Freund bin.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1770. An Augustin Trapp. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-821D-4