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An Franz Kirms

Ich will Ew. Wohlgeboren privatim nicht läugnen, daß mir der Aufsatz, welchen Sie mir gestern zuschickten, empfindlich war, da man mir, der ich mich nur um das Ganze und eigentlich um das Kunstfach bisher bekümmert habe, der ich Ihnen die Einrichtung und die Policey im Parterre ganz überlassen habe, gleichsam die Verantwortlichkeit wegen einiger in meiner Abwesenheit vorgefallenen Unarten zuschieben und mir, der ich das Recht habe, auf mehrere Jahre Contracte zu schließen, auf eine nicht wohl überdachte Weise drohen will, daß das Theater einmal unverhofft dissolvirt werden könnte. Ich möchte denn doch wohl wissen, in wessen Gewalt und Willkür das stehen dürfte.

Beyliegendes pro memoria, in welchem ich meine Empfindlichkeit dissimulire, habe ich mit gutwilliger[146] Meynung verfaßt, die ich hier wiederhole: so lange man nicht auf der rechten Seite eine Wache hinstellt (morgen sollte es der tüchtigste Unteroffizier seyn), so lange man Bänke auf Bänke pfropft, wodurch alle Communication und Circulation verhindert wird, so ist man weder vor einer einzelnen noch vor einer all gemeinen Unart sicher, und ich werde, wenn man Remedur von mir fordert, und doch auf meine Vorschläge nicht achtet, mich ausdrücklich von aller Verantwortlichkeit in diesem Punkte lossagen. Einen Husaren auf die rechte Seite zu stellen, habe ich schon früher urgirt, es ist aber nie geschehen, und diese Vorsicht wird jetzt um so leichter, da auf jener Seite gleichfalls ein Eingang ist. Wenn man die Menge in Ruhe halten will, so muß man die erste Unart nicht leiden. Gleich beym Eintritt in den Saal sollte jeder genöthigt werden, den Hut abzuziehen, damit er erinnert würde, daß er dem Orte Achtung schuldig sey. Ich habe bey übervollem Hause, als Iffland's Spiel in den Räubern erwartet wurde, mit ein paar ernsten und derben Worten den Tumult im ersten Augenblick zum Schweigen gebracht, hätte ich nicht den Entschluß gefaßt, damals gleich bey der mindesten Bewegung dreinzufahren, so würde jene Aufführung gewiß eine der unruhigsten gewesen seyn. Ich zweifle nicht, daß die beyden Vorstellungen ruhig vorübergehen werden, und bis künftigen Winter kann sich viel verändern. Verzeihe Ew. Wohlgeboren mir meine Empfindlichkeit! [147] Bey unserm engen Verhältniß aber ist Aufrichtigkeit das beste.

Wegen der kleinen Götzin finde ich die Einrichtung, die Sie machen wollen, recht passend, nur glaube ich, ist es billig, daß man ihr ein kleines Geschenk zu. ihrer Entwicklung macht und daß man ihr ein kleines Taschengeld wöchentlich aussetzt.

Jena, d. 9. Juni 97.

Eben als ich den Brief siegeln will, kommt Götze, der Vater, in großer Agitation zu mir. Ich weiß nicht, was ihm für Gespenster erschienen sind, daß man seine Tochter nicht mit nach Lauchstädt schicken wollte. Da ich aber aus Ihrem Briefen Ihre Gesinnung weiß, mit welcher die meinige übereinstimmt, und er mir noch überdies erzählte: daß Sie bey dem Juden und Schuster Credit gemacht haben, so sah ich wohl, daß es nur eine Confusion war, in die er, Gott weiß wie, verfallen ist, und die ich ihm nicht übel nehme, weil ein jeder Mensch in Fällen, die ihm so wichtig scheinen, gar leicht ängstlich und verlegen wird.

Beendigen Sie daher das Geschäft, sobald es Ihre Zeit erlaubt, und setzen Sie doch eine Art von Contract mit der Beckin auf, damit man wisse, was man von ihr erwarten kann. Ich wünsche indessen recht wohl zu leben.

G. [148]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1797. An Franz Kirms. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8226-E