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An Franz Ludwig von Hendrich

Hochwohlgeborner

Insonders Hochzuehrender Herr.

Ew. Hochwohlgeb. ist bekannt, welcher anständigen Ruhe wir uns in dem weimarischen Schauspielhause erfreuen; besonders haben sich die jenaischen Studirenden, [202] seit der veränderten Einrichtung des Saals, musterhaft betragen, indem von denselben weder ein Zeichen der Ungeduld, noch des Mißfallens, selbst nicht eines allzulauten Beyfalls ausgegangen. Um so unerwarteter war es, daß, nach dem Schluß der Braut von Messina, ein, dem Dichter zwar schmeichelhafter, den Verhältnissen aber unangemeßner Dank ausgerufen wurde.

Hätte man diesen Zuruf als reine Ergießung des guten Willens, einer fremden, mit den hiesigen Einrichtungen unbekannten Jugend ansehen können; so ließe sich allenfalls darüber hinausgehen; auffallend mußte es dagegen seyn, daß die Veranlassung zu dieser Acclamation vom Balkon ausgegangen, noch mehr aber, da, von mehrern Seiten, als gewiß angegeben wurde, daß der jüngere Herr Schütz sich einer solchen Übereilung schuldig gemacht.

Ew. Hochwohlgeb. habe ich daher auf besondern Befehl Serenissimi den Auftrag zu ertheilen: daß Dieselben gedachten Doctor Schütz vor sich kommen lassen, um von ihm zu vernehmen, wie er als ein Eingeborner, dem die Sitten des hiesigen Schauspielhauses bekannt seyn mußten, sich eine solche Unregelmäßigkeit habe erlauben können? wobey Sie ihm Serenissimi Mißfallen und eine bedrohliche Weisung für künftige Fälle, auf das nachdrücklichste, werden zu erkennen geben.

Als Fürstl. zu diesem Geschäft bestellter Commissarius [203] habe ich ferner Ew. Hochwohlgeb. angelegentlich zu ersuchen: bey schicklicher Gelegenheit, die akademische Jugend zu Fortsetzung einer ruhigen Theilnahme am hiesigen Schauspiel, durch diensame Vorstellungen, zu ermahnen.

Bey und kann kein Zeichen der Ungeduld Statt finden, das Mißfallen kann sich nur durch Schweigen, der Beyfall nur durch Applaudiren bemerklich machen, kein Schauspieler kann herausgerufen, keine Arie zum zweytenmal gefordert werden. Alles was den gelaßnen Gang des Ganzen, von Eröffnung des Hauses bis zum Verschluß, auf irgend eine Weise, stören möchte, ist bisher unterblieben und darf auch in der Folge nicht Statt finden.

Wobey ich noch die Bemerkung hinzuzufügen habe, daß die Wache, nach der schon lange bestehen den Einrichtung, höhere, nunmehr wiederholte Ordre hat, jeder ungewöhnlichen Bewegung nachdrücklich zu steuern. Deßwegen die Vorsteher eines, ohnehin dornenreichen Geschäftes, nichts lebhafter wünschen müssen, als daß ein, durch Geist, Mühe, Sorgfalt und Aufwand vorbereitetes öffentliches Vergnügen nicht in die unangenehmsten Ereignisse und Weiterungen übergehen möge.

Der ich in Erwartung baldiger Nachricht des Ausgerichteten mich mit besonderer Hochachtung unterzeichne.

Ew. Hochwohlgeb.

ganz gehorsamster Diener

Weimar am 21. März 1803.

J. W. v. Goethe.


[204] Zugleich erhalten Ew. Hochwohlgeb. den Auftrag, im Nahmen Serenissimi, Herrn Hofrath Schütz zu erkennen zu geben: Höchstdieselben hatten Sich von ihm versprochen, daß sein Sohn besser gezogen seyn würde.

Weimar am 21. März 1803.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1803. An Franz Ludwig von Hendrich. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-823A-2