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An Carl Ludwig von Knebel
Schönen Dank für deine liebe Zuschrift. Die Zeichnungen unserer lieben Prinzeß in Mecklenburg habe ich zu meiner großen Freude erhalten. Die Gegenstände sind recht wohl gefaßt und sehr zart behandelt. Mit dem zweyten Bande meiner biographischen Versuche, deren Erscheinung sich aber noch etwas verzögern wird, werde ich noch einige Carlsbader Schatten absenden und zugleich für das freundliche und gnädige Schreiben danken.
Hier interessirt uns hauptsächlich die handschriftlich bekannte Correspondenz des Herrn Baron von Grimm. Es bleibt immer ein höchst bedeutendes Werk, ein reiches Document einer einzigen Zeit. Jedermann [113] kann sich daraus etwas anders zueignen, und doch ist es nicht ungerecht zu sagen: man erfährt viel dadurch, aber man lernt nichts daraus.
Ich habe mir den Spaß gemacht, alle Worte auszuziehen, wodurch Menschen sowohl als literarische und sociale Gegenstände verkleinert, gescholten oder gar vernichtet werden, und ich denke daraus ein dictionnaire détractif zu bilden, welches dem dictionnaire des négations des Herrn Pougens zum Supplement dienen mag. Geisterhebendes findet sich wenig. Voltaire ist im Verschwinden, Rousseau im Verborgnen, Buffon macht kein eigentliches Aufsehen, d'Alembert, Helvetius und andere erscheinen auch nur von ihrer klugen Seite. Die alten Literatoren sterben achtzigjährig und von dem Neuen soll nichts gelten. Die nordischen Heroen Catharina, Friedrich, Gustav, der Erbprinz von Braunschweig und andere erscheinen als erbärmliche Tributairs des französischen Sprach- und Schwätzübergewichts. Zwey einzige Figuren halten sich aufrecht in dem socialen, politischen, religiosen Conflict, wo immer einer den andern zu vernichten sucht, und die beyden sind Diderot und Galliani.
Verzeih daß ich dir vorgreife. Du wirst es bald selbst in die Hände nehmen und da du viele persönlich gekannt hast, manche angenehme Erinnerung haben.
Daß Leisler in Frankfurt die Metamorphose der Vögel näher in's Licht setzt, freut mich sehr. Das Mausen ist als eine Art von Häutung zu betrachten[114] (siehe Kieser über die Exantheme). Es sind jährliche Ausbildungs- und Umbildungsepochen.
Für die Stelle von Calderon danke ich. Sie ist zart und hübsch. Leider werden wir Deutsche eben seine zarte Seite mit unserer schwachen in Rapport setzen. Von seiner wahren Stärke ist noch wenig Begriff unter uns (vid. des Herrn Schulze christliche Saalba derey über den standhaften Prinzen). Das Leben ein Traum ist wieder fürtrefflich und glücklich aufgeführt worden. Einsiedel hat den wundervollen Magus übersetzt. Es ist das Sujet vom Doctor Faust mit einer unglaublichen Großheit behandelt.
Für dießmal nicht weiter. Sobald wir Gewißheit haben, wenn Iffland kommt, so melde ich's, damit du dich darnach einrichtest. Und somit ein herzliches Lebewohl.
Weimar den 17. October 1812.
G.