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An Christian Gottlob Voigt

Ich habe mir in diesen letzten Tagen zur Pflicht gemacht die Geschäfte in die ich Einfluß habe zu überdenken um das nächste Jahr, so viel es bey der Unsicherheit der Menschlichen Dinge möglichst ist, planmäßig zu verfahren. Sie erlauben, werthester Freund, daß ich mich nach und nach mit Ihnen berathe, und[356] diesmal sey die Rede von Schloßbau, besonders aber von der Decoration desselben.

Wir sind mit dieser Decoration leider in dem Falle wie mit dem Hauptbaue, daß nämlich der Künstler der die Zeichnungen dazu macht abwesend ist, und die Situation ist hier noch schlimmer. Dort kommt es auf große Partien, auf Proportionen im Ganzen an, die leicht zu übersehen sind, und man kann in kurzer Zeit einen Riß machen, an dem der ausführende Baumeister mehrere Jahre zu thun hat.

Bey der Decoration beruht alles auf sehr kleinen Theilen, deren Zusammenstimmung sich, selbst bey großer Übung, nicht immer mit der Imagination fassen, nicht genau auf dem Papiere beurtheilen lassen.

Der Decorateur, der spät zu einem Baue berufen wird, ist überhaupt übel dran, weil ihm die festen Puncte gegeben sind und er nun nicht immer machen kann was er will, sondern was die Umstände mit sich bringen. Auch kommt bey der Ausführung so manches Hinderniß vor, das sogleich wieder einen erfinderischen Entschluß verlangt, um aus einem Übel wo möglich wieder eine vortheilhafte Partie zu ziehen und den geringsten Bruch des Mißstandes zu wählen. Hierüber konnte ich bey dem Theaterbau die lebhaftesten Erfahrungen machen, wo Rath und That beständig mit einander Hand in Hand gehen mußten.

[357] Es haben sich bey dem Schloßbau schon Fälle dieser Art gezeigt, wo Prof. Thouret einiges angab das eine Modification litt und das er bey seiner Gewandtheit, so lange er gegenwärtig war, sehr leicht zurecht zu stellen wußte. In seiner Abwesenheit wird die Sache schwieriger, von unserm Baumeister Steiner fordern wir nur die mechanische Ausführung, Herr von Wolzogen, dem es an gewissen Kentnissen gar nicht fehlt, hat aber gerade vielleicht die Eigenschaft nicht, sich in die Idee eines andern zu versetzen und sie mit der wenigsten Abweichung nach den Erfordernissen umzubilden.

Was mich betrifft so kommt es darauf an, ob ich eben einen glücklichen Einfall habe, der aber nicht immer bey der Hand ist, theils weil man in jeder Sache vom Metier seyn muß, um in allen Fällen bereit und gewandt zu seyn, theils weil meine Existenz gleichsam ins unendliche getheilt ist und meine Aufmerksamkeit nicht immer gerade auf den Punct der vor mir steht gerichtet seyn kann.

Ich habe daher Freund Meyern gewöhnlich privatim zu Rathe gezogen und mich dabey ganz wohl befunden.

Da Sie selbst mit ihm manches verhandelt haben, so ist Ihnen seine Art und Weise zu wohl bekannt als daß ich noch etwas dazu zu thun brauchte.

Wir haben nunmehr verschiedne Fremde hierher gezogne Arbeiter, die alle nach Thourets Zeichnung[358] zu Einem Zwecke wirken sollen. Der Mahler Haidlof, der Tischer Kronrath, der Bildhauer Schmidt, der Quadrator Müller, es werden noch mehrere nach und nach sich nöthig machen, als Stukator, Vergolder, und dergleichen! Geben wir diesen zusammen nicht eine Einheit der Aufsicht, in Rücksicht auf das Kunsterforderniß; so kann man voraussehen daß unzählige unangenehme Fälle vorkommen werden.

Prof. Meyer wird ohne dieß so bald als möglich mit Haidlofen das runde Zimmer zu mahlen anfangen, er wird den Sommer über viel im Schlosse seyn, und so wäre es der Sache um so angemeßner daß man ihm einen legalen Einfluß auf das Kunstmäßige der übrigen Arbeiten gäbe, wovon wir gar bald den vortheilhaften Einfluß spüren würden.

Auch selbst um Serenissimi willen wünschte ich daß ein denkender Künstler immer die Folge der Arbeiten gegenwärtig hätte. Unser Fürst hat einen trefflichen Blick über das Schickliche und Bequeme, das Anständige und Lebesgemäße; nur ist er zu schnell geneigt das Schöne der Form dagegen aufzuopfern. Ich möchte folgenden Grundsatz festsetzen: wenn der Bauherr das was er zu seiner Bequemlichkeit, zum Anstande, zur Schicklichkeit verlangt, erklärt hat; so ist es die Sache des Künstlers diese Forderungen mit der Form zu verbinden, denn er ist ja deshalb da, daß er wie ein geschickter Schachspieler für alle Fälle ein Auskunftsmittel ersinne.

[359] Führte man Prof. Meyern dergestalt in das Ganze ein, so entstünde daraus noch der große Vortheil daß, wenn Prof. Thouret diesen Sommer wiederkäme, er mit einem Kunstgenossen über die Arbeiten zu conferiren hätte. Auch würde Meyer, wenn ihm die Ausführung aufgetragen wäre, bey den Entwürfen und Zeichnungen etwas mit zu reden haben, welches in jeder Rücksicht vortheilhaft seyn möchte. Seine verträgliche Klugheit würde die Sache fördern, und was eine Remuneration betrifft, so würde man, da man ihm ohnehin für seine Künstlerarbeiten ein Honorar schuldig wird, seine bescheidnen Erwartungen leicht befriedigen können. Ich bitte um Überlegung dieser meiner vertraulichen Äußerungen, damit man etwa bald möglichst, besonders da schon einige bedeutende Fälle eintreten, Serenissimo deshalb Vortrag thun könnte.

Der ich von Herzen wohl zu leben wünsche.

Weimar am 26. Dec. 1798.

G.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1798. An Christian Gottlob Voigt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8327-8