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An den Herzog Carl August

Iemehr ich mir das Geschäft der Zerschlagung des Gutes Burgau bekannt mache, von desto größerer Wichtigkeit finde ich es, sowohl an sich, als in Absicht auf den Einfluß, welchen es in manche andere Angelegenheiten haben wird. Es kommen dabey verschiedene politische, juristische und ökonomische Betrachtungen vor, welche wohl zu erwägen sind, damit man, wenn das Geschäft angefangen oder gar beendigt [27] worden, nicht alsdann erst Bedenklichkeiten zu heben und Hindernisse aus dem Wege zu räumen habe. Deswegen hat man um solches vorzubereiten allerlei gethan, und unter andern auch nach Darmstadt an den Kammerrath Martini geschrieben, welcher in dieser Art Geschäften sehr bewandert ist und solche seit dreyzehn Jahren in der dortigen Landgrafschaft betreibt.

Es hat auch derselbige vor einigen Tagen eine Antwort hierher erlassen, welche nichts weniger als genugthuend ist, vielmehr hat man Noth solche zu verstehen und muß den Zusammenhang nur errathen und die eigentliche Meinung herausklauben. Ein Brief den ich zu gleicher Zeit von einem guten Freund dorther erhielte, versichert mir, daß von gedachtem Kammerrath Martini nur auf der Stelle Nutzen zu ziehen seyn möchte, indem derselbe als bey der Feder nicht hergekommen, das Schreiben so viel als möglich vermeide und sich nicht glücklich ausdrücke.

Da nun ferner aus obgedachtem Martinischen Brief zu ersehen gewesen, daß dorten die herrschaftlichen Güter weder erb noch eigenthümlich an einzelne verlassen noch auf einen Erbbestand, das heißt Stammvätern und ihren Familien ausgegeben worden, sondern daß man die Art vorgezogen habe, die zu zerschlagende Güter auf lebenslängliche Lehen für Mann und Frau auszuthun, welche letztere Art in hiesigen Gegenden ganz unbekannt ist; so wird man es nur [28] um desto nöthiger finden, sich nach der dortigen Einrichtung auf das genaueste zu erkundigen.

Es wäre deswegen zu wünschen, daß man die ältere Art wie man dorten zerschlagen, zuerst genau in Erfahrung bringen könnte, alsdann die neuere und warum man diese jener vorgezogen, die Folgen die beyde gehabt und noch haben und was sonst noch bey diesem Gegenstande vorkommen möchte.

Es könnte diese Absicht wohl nicht besser erreicht werden, als wenn man jemand dorthin absendete, der sich die Akten vorlegen lasse, die nöthigen Extrakte daraus fertigte, sich mündlich nach allem befragte und die Gegenstände selber in der Natur kennen lernte; es würde dieses durch einen geschickten Mann gar leicht und in kurzer Zeit vollbracht werden können.

Man weiß iezo niemand besser als den Kammerkonsulent Schwabhäußer vorzuschlagen. Seine Sagacität und Leichtigkeit im Arbeiten sind bekannt und er möchte wohl derjenige seyn, der in der kürzesten Zeit die neuesten und sichersten Nachrichten einzusammeln fähig seyn möchte.

Nicht weniger würde er, da es seine Pflicht ist, in dergleichen Gelegenheiten fürstlicher Kammer mit Rath an Handen zu gehen, solches in der Folge desto sicherer und standhafter zu thun in den Stand gesetzt werden.

Da man mit Einleitung des Geschäftes keine Zeit zu verlieren hat, sondern sobald als möglich die Absicht [29] öffentlich bekannt zu machen wünscht, so würde derselbe auf das baldigste abzuschicken seyn.

Wegen seiner übrigen ihm aufliegenden Geschäfte würde er wohl solche Einrichtungen treffen können, daß ihn solche nicht hinderten eine kurze Zeit abwesend zu seyn. Was die Unkosten betrifft, welche auf diese Absendung zu verwenden seyn möchten, diese kommen bey einem so wichtigen und weit aussehenden Geschäft in wenigen Betracht.

Übrigens ist man überzeugt, daß gedachter Kammerkonsulent in mehr als einer Rücksicht dieses Geschäft mit der besten Sorgfalt auszuführen sich angelegen sein lassen werde. Ist es vollbracht, so wird man alsdann davon Gelegenheit nehmen ihn Serenissimo zu weiteren Gnaden zu empfehlen, indem er für seine viele Arbeit etwas mehreres als er bisher genossen auf alle Weise verdient und seine fleißigere Würkung bei fürstlicher Kammer sich immer nothwendiger macht.

So überzeugt man übrigens von der Nützlichkeit und Nothwendigkeit oberwähnter Absendung seyn mag; so hat man doch dazu keine Anstalten machen können, ohne von den Gesinnungen Serenissimi und Höchst Ihro geheimen Consilii vorher unterrichtet zu seyn.

Der ich mich in Erwartung gnädigster Befehle in unbegränzter Ehrerbietung unterzeichne

Ew. Hochfürstlichen Durchl.

unterthänigster treugehorsamster

J. W. Goethe

Weimar d. 15. März 1785.
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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1785. An den Herzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8340-E