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An Wilhelm von Humboldt

[Concept.]

Das Packetchen, welches Sie Herrn von Buch mitgegeben haben darin der Brief vom 28. August datirt ist, habe ich vor ohngefähr 14 Tagen in Jena erhalten und finde nun erst einen ruhigen Augenblick um Ihnen dafür danken zu können. Wie soll ich, werthester Freund, Ihre Thätigteit und Pünctlichkeit genugsam rühmen? Sie widmen von Ihren kostbaren Stunden mehrere meinen Angelegenheiten und geben mir so völlige Auskunft als ich nur wünschen kann.

Es ist mir sehr angenehm daß ich, durch Ihre Anfrage, mit den Herrn David und Regnauld in ein solches Verhältniß komme, daß ich allenfalls in der Folge mich direct an einen oder den andern wenden könnte.

Was die gegenwärtige Unternehmung betrifft so ist sie freylich noch nicht so weit vorwärts gerückt als ich wünschte. Man arbeitet zwar, so viel ich weiß an dem Stich des ersten Gesanges, allein wie [207] es scheint nur zur Probe, und unsere Anstalten zu künftigen Kupfern haben auch nur bisher in Anfragen und Vorbereitungen bestanden.

Daneben ist man denn freylich in Deutschland die Zeichnungen so hoch zu bezahlen nicht gewohnt. Den Geschmack unsere: Publikums kennen Sie, der mit einem gewissen Schein bald zu befriedigen ist. Und übrigens bezahlt das Publikum auch wohl ohne zufrieden zu seyn. Ich fürchte daher daß die hohen Preise der Pariser Künstler den Verleger abschrecken werden um so mehr da die Ausführung nicht einmal von derselbigen Hand seyn soll. Indessen kommt alles auf eine mündliche Unterredung mit dem Buchhändler an, die vielleicht auf der Ostermesse stattfindet, da sich denn manches wird näher bestimmen lassen.

Haben Sie Dank für so manche interessante einzelne Nachrichten, die in Ihrem Briefe entfalten sind.

Danken Sie auch Herrn Catel für das Überschickte. Er zeigt in seinen Arbeiten ein schönes Talent, nur sieht man daran, möcht ich sagen daß er in der Zerstreuung der Welt lebt.

Der einzelne Künstler kann sich freylich nicht isoliren, und doch gehört Einsamkeit dazu um in die Tiefe der Kunst zu bringen und die tiefe Kunst in seinem eignen Herzen aufzuschließen. Freylich keine absolute Einsamkeit sondern Einsamkeit in einem lebendigen reichen Kunstkreise.

[208] Die Welt trägt sich mit lauter falschen Maximen, weil sie blos vom Effect reden kann, des Künstlers Maximen müssen die Ursachen enthalten, und es sind tausend Umstände die ihn hindern ihrer habhaft zu werden.

Doch ich verliere mich ins allgemeine, da ich Ihnen noch für Ihre besondere und schöne Belehrung über das französische tragische Theater zu danken habe. Ich kann es jetzt so wie in meinem vorigen Briefe, nur unvollkommen thun, ob ich gleich diese Zeit her mich lange mit Ihrer Arbeit beschäftigt habe, indem ich sie abdictire, um sie in dem fünften Stück der Propyläen drucken zu lassen.

Dieser Aufsatz welcher sehr zur rechten Zeit kam, hat auf mich und Schillern einen besondern Einfluß gehabt und unser Anschauen des französischen Theaters völlig ins Klare gebracht. Durch eine sonderbare Veranlassung übersetze ich den Mohamet des Voltaire ins Deutsche. Ohne Ihren Brief wäre mir dieses Experiment nicht gelungen, ja ich hätte es nicht unternehmen mögen. Da ich das Stück nicht allein ins Deutsche, sondern, wo möglich, für die Deutschen übersetzen möchte; so war mir Ihre Charakteristik beyder Nationen über diesen Punct ein äußerst glücklicher Leitstern und ist es noch jetzt bey der Ausarbeitung.

So wird auch die Wirkung des Stücks auf dem Theater Ihre Bemerkungen, wie ich voraussehe, völlig bekräftigen.

[209] Meinen Brief vom 16. Sept. werden Sie erhalten haben. Ich bin neugierig ob es möglich seyn wird meinen dort geäußerten Wunsch, Abgüsse von ein Paar Stücken des atheniensischen Frieses zu erhalten, wirklich erfüllt zu sehen.

Haben Sie die Güte mir manchmal, wenn es auch nur kurze Briefe sind zu schreiben und mir Nachrichten von Künstlern und Kunstsachen zu geben. Ihre Frau Gemahlin und sonst ein Freund legt ja auch wohl irgend ein Blättchen bey.

Das fünfte Stück der Propyläen dankt Ihnen seine vornehmste Zierde.

Unsere Schillern ist mit einer jungen Tochter niedergekommen, sie befindet sich aber in diesem Wochenbett nicht zum besten.

Leben Sie wohl und gedenken Sie meiner, wo Sie auch die Reise hinführt und lassen Sie mich an dem Reichtum Ihrer Bemerkungen immer einigen Theil nehmen.

Weimar am 28. Oct. 1799.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1799. An Wilhelm von Humboldt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8352-6