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An August von Goethe

Deine Schreiben, mein lieber Sohn, bis zum 18. May, sind glücklich angekommen, haben uns und den Allernächsten viele Freude gemacht; daher es denn wohl billig scheinen möchte auch etwas von hier vernehmen zu lassen. Zuvörderst also befinden wir uns beide wohl; Kräuter ist, nach dem Hauskreuz mit seinem Kinde, selbst sehr krank geworden und hilft sich nothdürftig wieder auf, indessen gehen meine Arbeiten ununterbrochen fort.

Ein englischer Maler Herr Dawe ist angekommen, hat mein Porträt gemacht und daran, mit Unterbrechung, vier Wochen gearbeitet, dadurch ist ein neuer Onkel in die Familie gekommen, aber, wie Ulrike versichert, der leidlichste von allen. Dawe hat unsere Erbgroßherzogin sehr glücklich gemahlt.

Ferner hat mein alter Freund Cogswell, ein freyer Nordamerikaner, mich auf der Durchreise besucht, schöne Bücher und Aufsätze mitgebracht, auch viel Erfreuliches von dort her erzählt.

Den Engländer und Nordamerikaner triffst Du vielleicht in Dresden; sieh dich nach beiden um und sey ihnen freundlich; da ihr denn auch dem Onkel die gehörige Ehrerbietung erweisen könnt.

Unser Großherzog ist nach den Niederlanden, die Frau Erbgroßherzogin nach Ems, ihr Gemahl nach[154] Dresden, geht aber zurück und nach Phyrmont; die Prinzessinnen sind in Jena, wo ich den Garten sehr glücklich verändert gefunden.

Schon zweymal hab ich eine eigene Expedition in das liebe verworrene Städtchen gemacht, Freytag Abend hin und Sonntag früh zurück. Unter den gegenwärtigen Umständen muß man immer drüben als Gast erscheinen und über ein Kleines, ehe die Menschen ihre Unarten herauskehren, wieder verschwunden seyn. Sonntags waren hier die Freunde jederzeit zu Tische, zuletzt Rehbein und Braut in forma.

Der Divan schreitet nur langsam vor; sonst steht hier und in Jena in Oberaufsichtsgeschäften alles gut und vortrefflich. Das Blumenstück von Seghers ist wohlbehalten angekommen, im Ganzen vortrefflich, obgleich hie und da restaurirt.

Du siehst daß wir durch innere Thätigkeit uns gegen eure Genüsse in der Königsstadt im Gleichgewicht zu erhalten suchen, dabey haben wir nebenher uns einige Späße ausgedacht, welche, obgleich offenbar, jedoch euch ein Geheimniß bleiben müssen.

Nun braucht's weiter keiner Versicherung daß wir an dem Glück eures Berliner Aufenthalts den aufrichtigsten Antheil nehmen, wobey es mich höchlich freut daß du dich in Kunst und Wissenschaft so vorbereitet findest um wohl, wie billig ist, zu erstaunen, aber doch nicht zu erschrecken. Ich hoffe sehr auf das Einzelne, Mündliche; am meisten aber, daß in deiner Weimarschen [155] Dämmerschaft es dir künftig nicht an lebhaften und schönen Traumbildern fehlen wird.

Zeltern grüße zum allerschönsten und dank ihm auch in meinem Namen für freundliche Aufnahme und treuliche Bewirthung. Zuerst weiß ich nichts zu erwidern als daß ich ihm eine schwer geladene Bombe in's Haus werfe und wünsche daß sie die Wirkung einer Leuchtkugel thun möge.

Es bleibt mir nun weiter nichts übrig als Ottilien zu grüßen, zu allem was euch widerfährt Glück zu wünschen, zu versichern daß der kleine täglich hübscher und artiger wird, Ulrike sich munter befindet und an mancher Spazierfahrt theilnimmt; womit ich euch denn allen guten Geistern empfohlen haben will, sämmtliche Freunde zu grüßen und für die gute Aufnahme auch in meinem Namen zu danken bitte.

treulich

Weimar den 26. May 1819.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1819. An August von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8367-7