23/6332.

An Christiane von Goethe

Das Wetter ist fürtrefflich und für uns, wie für den Feldbau wünschenswerth. Die Castanien auf der Wiese geben schon Schatten, die Blüthen brechen hervor und in kurzer Zeit wird kein dürrer Zweig mehr zu sehen seyn. Mein Befinden ist gut und die Arbeiten gehen von Statten.

Deshalb lassen wir uns nicht anstechen, wenn uns die öconomische Seite unseres Aufenthalts etwas Bedenken [14] macht. Das Silber ist seit einigen Tagen sehr gefallen; wir haben es nur noch zur Noth mit 100 gegen 1000 alte Banknoten, d.h. Einlösungsscheine 200 verwechseln können. da nun die Leute nach den letzten rechnen und von den vorjährigen Preisen wenig herunter gehen, so sehet ihr die ungeheuere Differenz.

Wir suchen sie durch Ökonomie auszugleichen. Ich wohne im dritten Stock und spare also die Hälfte der Miethe. Durch die Gefälligkeit des Postmeisters, den ich mit der neuen Zuckerfabrikation bekannt machte, haben wir noch kurz vor Thorschluß 80 Bouteillen Ofner (leider klein Gemäß) und billigen Preis bezogen und sind also wegen dieses Hauptpunktes sicher. Andere Menagen sind auch beliebt und so stehen wir, sowohl in der Hauptsache, als in der Casse, sehr gut.

Wollt ihr nun auch dieses Jahr der Gesundheit wegen hier seyn und dabey noch manches unschätzbare Vergnügen der Gegend genießen, auf allen Saus und Braus des vorigen Jahres aber Verzicht thun, so seyd ihr den 21. Juni willkommen, und werdet in fünf Wochen das Hauptgeschäft abthun und Ende Juli erquickt und froh nach Hause zurückkehren.

Zu einer solchen veränderten Lebensart wird der heurige Zustand von Carlsbad das Seinige genugsam beytragen. Nicht allein sind wenig Quartiere bestellt, sondern mehrere und bedeutende Personen haben wieder abgeschrieben woraus erstellt, daß an eine brillante Gesellschaft nicht zu denken ist. Demohngeachtet werden [15] sich im Juli wahrscheinlich so viele Personen einfinden, als nöthig sind, um hier eines angenehmen Umgangs zu pflegen. Vor allem aber rate ich dir deinen Weinbedarf mitzubringen, weil dieser Artikel dieses Jahr, wegen des zu unserem Nachtheil schwankenden Curses, unerträglich theuer werden müßte. Ein sehr mäßiger Melnicker kostet jetzt schon die Flasche 13 gr. 6 pf. Sächsisch. Einen starken und edlen Wein zu schaffen würde, nach diesem Maasstabe, theuer genug zu stehen kommen.

Ich habe einen Brief von Herrn Hofcammerrath erhalten, auf den eine offene Antwort beyliegt. August wird sehen, ob er das Manuscript findet. Laß allenfalls Pollack rufen, der es kennt und vielleicht ausspürt. Ich höre mit Vergnügen daß die Sühne gute Wirkung gethan hat. Der Brief des Hofcammerraths ist acht Tage gegangen. Wenn auch dieser hinauswärts etwas geschwinder geht, so hoffe ich doch kaum vor Trinitatis etwas von euch zu hören. Sage mir deine Gedanken und ich will alsdann den letzten Entschluß melden, wie es werden kann und soll, denn bey diesen Postgange ist des Hin- und Herschreibens nicht viel zu unternehmen. Was ich wünsche, daß ihr mitbringt, schreibe ich alsdann. Vergiß aber ja ein Fläschchen Kartoffelsyrup und Kartoffelzucker nicht; man ist hier sehr neugierig darauf.

Von Wehediz ist auch nicht viel erfreuliches zu [16] erzählen; wir waren draußen und haben das hübsche Kind nicht einmal gesehen. Die übrigen erheiterten kaum ihre Gesichter als sie mich wiedersahen und nach dir fragten; so sind die Menschen alle durch Erhöhung des Curses gedruckt, wodurch ihnen alles noch theuerer vorkommen muß als uns, die wir denn doch unsere hiesigen Ausgaben mit den Thüringischen vergleichen können. Alles Furwesen stockt mit dem Handel, an wohlfeilen Weineinkauf ist nicht zu denken und deswegen der so oft besuchte Keller völlig leer. Und so ist auch das Wehedizer Paradies verschwunden und man muß sich nach etwas anderen umsehen.

Kutsch und Pferde werden freylich die ganze Sache weit lustiger machen und die guten Thiere sollen den theueren Hafer schon wieder abverdienen. Jetzt machen wir weite Fußpromenaden von mehreren Stunden, kommen sehr müde nach Hause, befinden uns aber sehr wohl dabey, welches wir euch auch wünschen und uns baldige, hübsch umständliche Antwort erbitten.

Ich hoffe daß der Brief durch den Kutscher, so wie die Kiste Egerwasser glücklich angelangt ist.

Herzlich grüßend

Carlsbad den 13. May 1812.

G.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1812. An Christiane von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-83A8-8