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An den Herzog Carl August
Der Vorwurf meiner Schreibefaulheit, den Sie mir, bester Fürst, durch Geh. R. Voigt machen lassen, ist leider nicht unverdient, meine Dinten und Papierscheue nimmt gleichsam mit jedem Tage zu, umsomehr als ich einen Geist zur rechten Hand habe, der, mit der größten Leichtigkeit, meine Gesinnungen und Einfälle zu Papier bringt. Indessen wird ein Brief, der den sechsten hier abging, meinem sinckenden Credit wieder ein wenig aufgeholfen haben, in welchem ich die Abreise der Chemiker nach Osten und Westen ankündigte.
Bald werde ich nun auch mich nach Weimar zurückbegeben, da die beynahe völlige Einsamkeit ihre[152] reichen Früchte getragen hat. Das Gedicht, dessen Anfang Ihnen nicht mißfiel, ist nun geendigt und es wird nun bald in die deutsche Welt ausgehen. Zugleich haben sich eine Idylle, einige Balladen, und andre Liederarten eingefunden. Ich wünsche daß Sie solche nicht ganz ohne Beyfall dereinst vernehmen mögen.
Vorgestern Abend hatte ich eine sonderbare Unterhaltung: Lord Bristol ging, von Carlsbad, hier durch, und da er mich zu sehen verlangte ging ich zu ihm. Er empfing mich gleich mit ein Paar solennen Grobheiten und setzte mich dadurch völlig a mon aise. Glücklicherweise hatte ich guten Humor und meinen französchen Tag, so daß ich ihm nichts schuldig blieb, und wir, nachdem wir eine Stunde lang disserirt, disputirt, etwas grob gescherzt und mitunter verständig gesprochen hatten, mit aller Höflichkeit und Zufriedenheit auseinander schieden. Es ist mir sehr angenehm dieses wunderliche Original, von dem man so viel gehört hat, endlich einmal mit Augen gesehen zu haben, denn ohne unmittelbare Anschauung des Individuums kann man sich von der seltsamen Zusammensetzung keinen Begriff machen.
Sie haben jetzt den Fürsten von Ligne in der Nähe der auch eine eigne und merckwürdige Natur seyn muß.
So mancherley Wünsche ich auch in dieser an mancherley Schicksalen schwangeren Zeit hege, so steht[153] doch der Wunsch für Ihr Wohl immer oben an, und so waren die Nachrichten, die ich von Weimar erhalte: daß die Cur gute Wirckung thut, mir höchst erfreulich; indessen kommt auch die Zeit heran wo mir die Freude bevorsteht Sie wieder zu sehen und von mancherley mündliche Nachricht und Rechenschaft zu geben.
Da alles hier seinen gewöhnlichen Gang geht so iß nicht viel zu sagen. Kempelens Sprachmaschine, welche Hofr. Loder besitzt und die zwar nicht sehr beredt ist, doch aber verschiedne kindische Worte und Töne ganz artig hervorbringt, ist hier, durch einen Tischer Schreiber, recht gut nachgemacht worden – Die Opale sind noch nachher von Kennern bewundert worden und werden lange eine der ersten Zierden des Cabinets bleiben – Hofr. Loder hat von Göttingen, wohin er in den Feyertagen einen Sprung gethan, ein merckwürdig Cabinetstück mitgebracht, eine Billard-Kugel, die ein Hund zufällig verschluckte und nach 24 Stunden um zwey Drittel verdaut von sich gab. Sie ist sphäroidisch geworden, hat eine wunderbar fein-ungleiche Oberfläche, ohngefähr als wenn man halbtrocknen Thon auf Leinwand aufdruckt. Man ist unentschieden: ob es die ungleich verdauten Theile des Elfenbeins oder Eindrücke der Tunica villosa des Magens sind.
Seit Pfingsten haben wir sehr regnigtes Wetter das von Reisenden und Spaziergängen gescholten, [154] von Ackerleuten und Gärtnern aber gepriesen wird. Ich wünsche daß Sie zu Ihrem Zwecke einer leidlichen Witterung genießen mögen. Leben Sie recht wohl und erfreuen uns balde mit Ihrer Gegenwart. Jena den 12. Juni. Als am ersten Ziehungstage der Hamburger Lotterie, welche wegen des berühmten Gutes Schockwitz diesmal so viele Menschen mehr interessirt. 1797.
Goethe.