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An Johann Lambert Büchler

[Concept.]

[Jena, 1. Juli 1820.]

Ew. Wohlgeboren

beykommendes Heft übersendend nehme mir die Freyheit Folgendes zu bemerken. Das Verlangen einer hochahnsehnlichen Gesellschaft sowie unsers verehrten Herrn Präsidenten auf eine genügliche Weise zu erfüllen überdacht ich mir, wie nicht allein eine Anzeige, was für Manuscripte bey uns vorhanden, sondern auch von welcher Beschaffenheit sie seyen, wohl für das Wünschenswertheste gelten könnte. Ich arbeitete daher ein Schema aus, welches den Vortheil mit sich führte, einen jeden, der sich mit diesem Gegenstand befassen wollte, sogleich auf das Beobachtungswürdigste hinzuweisen. Es würde sogar zuletzt dadurch eine tabellarische Übersicht möglich, daß man die Beschaffenheit mehrerer Manuscripte neben einander mit einem Blick übersehen könnte.

Nach gefertigtem Schema habe den ersten Versuch an dem Codex des Otto von Freysingen, der wirklich alle Aufmerksamkeit verdient, selbst gemacht, weshalb ich Nachsicht hoffe. Indem nun der junge Scribent das angeheftete Werk gleichfalls zum Versuche beschreiben wird, so erbitte mir vor allen Dingen Berichtigung und Verfollständigung des Schemas, weil ich gegenwärtiges nur in großer Zerstreuung nach einigen Exemplaren gebildet: denn es können noch[85] manche Erfordernisse, von denen man Kenntniß zu haben wünscht, mir entgangen seyn. Da soll denn in den nächsten Monaten soviel als die lebhafte Sommerarbeit nur erlaubten will gefördert werden.

Die hiesigen Manuscripte hatte man zwar, seit dreyhundert Jahren, in einem feuerfesten Gewölbe gegen das wüthende Element verwahrt, nicht aber bedacht, was Schimmel und Moder, Einwirkung der schleichenden Feuchtigkeit auf Holzbände, auf Pergament pp. für verderbliche Folgen haben könnte. Schon seit mehreren Wochen arbeitet ein Buchbinder mit seinen Gesellen auf der Bibliothek, um diesen Gebrechen abzuhelfen, und ich darf wohl hoffen, daß durch eine solche Erneuerung auch die Zwecke einer würdigen Societät gefördert werden.

Da ich bey meinen Jahren und körperlichen Zuständen hiezu so kräftig nicht mitwirken kann, so ist es wohl das Verdienstlichste, jüngere Männer zu entzünden und einzuleiten, zu einer Zeit und an einem Orte, wo man wohl ein novellistisches Collegium, nicht aber ein deutsch-alterthümliches vorzutragen bereit ist. Empfehlen Sie mich überall, geben Sie mir einsichtige Anleitung, fordern und mahnen Sie, ich werde dadurch anzuregen angeregt, denn vielleicht war es nie schwerer als jetzt, jüngere und ältere Personen zu anderen Zwecken als ihren eigenen zu verpflichten. Der Straßen und Fußpfade sind unzählige und jeder geht seinen eigenen.

[86] Bey so bewandten Umständen würde jedoch in diesem Falle die Communication sehr beschleunigt werden, wenn die dortigen Kenner das Werk des Mylius durchsehen und gefällig anzeigen wollten, wovon nähere Nachricht wünschenswerth wäre.

Schließlich bemerke, daß bey meiner letzten Sendung gleich auf der ersten Seite statt Brandenburgisch Braunschweigisch geschrieben ist, welches Versehen jedoch sogleich der Kenner selbst verbessern wird.

Die verschiedenen Meinungen über das Taufbecken habe höchsten Ortes mitgetheilt, wo man, an historische Gewißheit noch immer starken Glauben hegend, sich verwundert, wie dergleichen Dinge noch im Zweifel schweben können. Ich aber, der ich überzeugt bin, daß alle Überlieferung nur durch inneren Assens und Zustimmung erst gewiß werde, halte mich in diesem Falle an das Brandenburgische Haus, bin völlig überzeugt, daß Friederikus über dem Täufling stehe nur wegen des erforderlichen Raums, daß man ferner nach alter löblicher Sitte, wo das Bild ohne Buchstaben nicht galt, dem Kaiser die Abbreviatur und dem Bischof die, vielleicht von dem Bischofstabe abzuleitende, monogrammische Hieroglyphe hinzugesetzt pp.

Da aus Ew. Wohlgeboren letztem Schreiben ersehe, daß die Verhandlungen über das Taufbecken in das Archiv der Gesellschaft dürften aufgenommen werden, so enthalte mich allen öffentlichen Gebrauchs des Mitgetheilten, und weil zu jenem Zweck eine Abbildung [87] sich nöthig macht, so werde sie gern besorgen; nur erbitte mir die erforderliche Anzahl der Abdrücke, weil es wohlgethan ist, sie gleich vom frischen Stein wegzudrucken; indem die Aufbewahrung desselben nicht so sicher ist als von einer Kupferplatte oder Holzstock.

Jena den 29. Juni 1820.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1820. An Johann Lambert Büchler. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-83E2-4