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An Georg Christoph Lichtenberg
[26. December.]
Ew. Wohlgeb.
erhalten hierbey den vierten Band meines Romans, der vielleicht nur einen geringen Theil jener Erwartungen [297] erfüllt welche die ersten Bände erregten. Indessen, da es mit dem menschlichen Leben selbst nicht besser geht, so stellt er wohl gerade durch diesen Mangel unsern planetarischen Zustand am besten dar, und ich erscheine damit immer gerne vor Ihnen, da Sie theils jedes Product nach seiner Art zu nehmen geneigt sind und dann doch wieder den Gegenständen auf eine freundliche Weise zu Hülfe kommen.
Mit lebhaftem Antheil habe ich auch Ihre letzte Erklärung der Hogarthischen Kupfer gelesen. Es erregt jene Behandlung immer eine eigne Sensation in mir. Ihre Auslegungen und Anspielungen, Ihr Scherz und Ernst gehen auf so einem schmalen Pfad, daß es einem bange werden könnte wenn man nicht bald gewahr würde, daß alles sich unter einander in einem glücklichen Gleichgewicht hält und daß ehe man sichs versieht mit Leichtigkeit ein Weg zurück gelegt ist, wo man keinen Steig vermuthete. Nehmen Sie meinen Dank für diese und jede Äußerung Ihres Geistes die bis zu mir reicht.
Von manchem möchte ich Sie unterhalten und Sie über manches fragen; aber das Unreife ist für das Gespräch und nicht für den Briefwechsel, die Rede löst so leicht jeden Irrthum auf, der durch die Schrift gleichsam erst recht consolidirt wird. Der Krieg und die allgemeine Unsicherheit hält mich zu Hause und nimmt mir die Lust nahe und ferne Freunde einmal wieder zu besuchen. Möge Ihnen [298] Ihr körperlicher Zustand doch recht viele gute Augenblicke gönnen.