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An Carl Ernst Adolf von Hoff

Ew. Wohlgeboren

wahrhaft erfreuliche Zuschrift erschien mir wie ein leuchtender Stern aus einer umwölkten Nacht. Ein solcher Blick überzeugt uns daß über einer ganz finstern Atmosphäre die ewigen Gestirne ihre Bahn ungestört fortsetzen. Möge Ihnen für die thätige und wirksame Theilnahme ein dauernder Genuß an dem Bewirkten und Geleisteten vorbehalten seyn. Ich freue mich auf die Zeit wo wir Sie wieder in Jena zu verehren hoffen. Sie werden günstig betrachten was geschehen und wegen des Künftigen Rath und Beistimmung ertheilen. Der so ansehnliche Beitrag heißt [131] uns alle Kräfte aufbieten, damit das Angefangene würdig zu Stande komme.

Das ehemalige medicinische Auditorium ist in einen heitern Saal umgewandelt. Die Repositorien der Schloßbibliothek und die zweite Bücherhälfte werden so eben hingebracht. Ist nun erst einmal alles in dem geräumigen Local beisammen, so wird man die weitere Aufstellung und Einrichtung näher überlegen können. Alsdann läßt sich auch der gegenwärtige langsame Gang des Katalogirens beschleunigen. Zur Zeit ist nicht mehr zu fordern als geschieht; denn man kann denen Angestellten wirklich zum Verdienst anrechnen, daß während der großen Umwälzung keine der beiden Bibliotheken geschlossen wurde, ja daß man sich vielmehr beeifert, die durch vermehrte Theilnahme und Anforderung an ein neubelebtes Geschäft entspringenden stärkeren Arbeiten ununterbrochen zu leisten. Man darf sogar dahin die vermehrten Besuche von Fremden rechnen.

Bibliothekar Dr. Güldenapfel ist freilich mehr geeignet Ordnung zu erhalten als einzurichten. Da er sich keine Übersicht machen kann, sondern nur im Einzelnen erst probirt und die Bücher so lange zurechte rückt bis ein gewisses Geschick haben, so geht es freilich gemacht, doch kann man mit dem Resultate zufrieden seyn. Man muß noch eine Weile zusehen, denn es wäre jetzt nicht räthlich selbst einen Fähigen mit einzumischen.

[132] Dr. Wellers Thätigkeit kann ich nicht genug rühmen und wie ich ihn immer mehr kennen lerne steht zu hoffen daß er sich gleich bleiben werde. Gegenwärtig ist er nur von Großherzoglicher Oberaufsicht hingeborgt, und ich möchte bei einem würdigen Geschäft, daß so vielen Scheelblicken ausgesetzt ist, nichts rathen noch veranlassen was einer Begünstigung ähnlich sähe. Ist er für's Vergangene remunerirt, so wartet er wohl noch einige Zeit bis man ihm seine Zukunft sichert. Bei nächster Ankunft der Herrn Commissarien wäre hierüber so wie über anders mündlich zu verhandeln.

Bibliotheksschreiber Baum ist mit dem Einzelnen sehr wohl bekannt, schreibt gut und ist höchst brauchbar.

Ein Diener, namens Römhild, ist provisorisch angestellt. Seine Vorgesetzten sind mit ihm wohl zufrieden, auch er mag sich mit einem mäßigen Interimsgehalt gedulden.

Erlauben Ew. Wohlgeboren daß ich über diese Gegenstände Sie von Zeit zu Zeit vertraulich unterhalte und dadurch meinen Dank zu erkennen gebe den ich empfinde über die glückliche Wendung die Sie der Sache zu geben gewußt. Eine solche Erlaubniß mich Ihres Raths erfreuen zu dürfen, wird mir um so schätzbarer ja unentbehrlich seit dem Tode meines vierzigjährigen Freundes und Mitarbeiters, der, von den ersten Anfängen an, gemeinsam Maximen der Thätigkeit befolge, Gang und Verhältniß aller unserer [133] Geschäfte von jeher kannte, theilte, und mit dem ich mich gar leicht verständigen und seinen Beifall erwerben konnte. Jetzt aber verläßt er uns alle und mich insbesondere in der bedenklichsten Zeit, wo man oft in Fall kommt die Toten zu beneiden. Lassen Sie mich in dem Anblick der Thätigkeit zweier junger Männer wieder Muth fassen und für die Zukunft arbeiten als wenn keine Gegenwart wäre.

Anstatt mich jedoch in diese düstern Betrachtungen weiter zu vertiefen, will ich meinen Sohn, dessen thätige Ordnungsliebe ich wohl rühmen darf, bestens empfehlen. Er ist in den Jenaischen Museen vom Knaben heraufgewachsen, sie sind neben ihm entstanden und so ist ihm alles dabei Vorkommende geläufig. Möge er künftig Ihnen wie jetzt mir in die Hand arbeiten.

Nehmen Sie die Beilage freundlich auf und gedenken dabei meiner im Guten; es ist ein wunderbar Geschick das mich veranlaßte eine mehr als vergangene Zeit mit gutem Muthe noch einmal hervorzurufen.

Findet sich Gelegenheit, so haben Sie ja die Güte mich Ihro Durchlaucht dem Herzog, Ihrem gnädigsten Herrn, dankbarlichst unterthänigst zu empfehlen.

gehorsamst

Weimar den 19. April 1819.

J. W. v. Goethe. [134]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1819. An Carl Ernst Adolf von Hoff. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8421-C