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An Sulpiz Boisserée

Wir sind schon in die zweyte Hälfte des Julius geruckt, daß ich mich eilen muß, wenn ich Sie in Wiesbaden noch finden will. Erlauben Sie, daß ich lakonisch verfahre, denn es ist ein Heft Kunst und Alterthum sowie ein anderes Morphologie im Drucke. Nun sind die manchmal bis zum Ärger säumigen Setzer dann auf einmal wieder so exigeant, daß man in unangenehmer Verwirrung lebt.

Zuerst aber möcht ich von dem Frankfurter Monument sprechen, denn es wäre eine unartige Bescheidenheit, wenn ich mich darnach nicht erkundigen wollte. Sagen Sie mir: was hat man vor, wo und wie?

[116] Und was die Büste betrifft, so gesteh ich gern, daß ich an Danneckers Hieherkunft nicht mehr glaube. Dieses denke und sage ich wider Willen, weil ich mich, durch ihn modellirt, wieder neben Schillern denken könnte. Wer muß sich aber nicht jeden Tag bekennen, daß vergangene Zeiten, Verhältnisse, Gefühle, Thätigkeiten nicht wieder zurückzurufen sind.

Insofern es mir also ziemt, ein Wort mitzusprechen, so würde ich bitten, eine rasche Umsicht zu fassen und, damit ich kurz sey, thu ich folgenden, doch ganz unmaaßgeblichen Vorschlag: Rauch in Berlin genießt eines verdienten Ruhms, ist mir nah und, obgleich ohne persönliche Bekanntschaft, an mein Haus und die Meinigen geknüpft; man würde mit ihm leicht übereinkommen, er könnte mich in den nächsten Monaten besuchen, sein Modell mit fortnehmen und, bey der gränzenlosen Marmorthätigkeit, die jetzt in Berlin herrscht, würde die Büste bald fertig seyn; setzt man sich von Frankfurt aus in Bezug mit ihm, so erbiete mich, ihn auf's freundlichste im Laufe dieser Monate zu empfangen. Ich würde über diese Angelegenheit wie bisher geschwiegen haben, träte nicht ein Stillstand ein, dem Sie selbst keinen Rath wissen; die Schnepfe des Lebens schwirrt vorbey, ein guter Schütze muß sie eilig fassen.

Für Übersendung der Kunstblätter dank ich schönstens; Ihre Recension ist höchst lobenswürdig und spricht die Abbildung alter kirchlicher Monumente[117] mit einsichtiger Unterscheidung aus, ich werde sie hiernach mit größerer Aufmerksamkeit und Vergnügen betrachten.

Das Kunstblatt im Ganzen macht sich recht gut, es leistet mehr als man zu fordern berechtigt ist, denn wenn von vielem soll Rechenschaft gegeben werden, wo man sich auf andere verlassen muß, so sind die Ungleichheiten unvermeidlich.

Die Stadt Cöln, von dieser ganz eigenen Seite, so mahlerisch und zweckgemäß zu sehen hat uns sehr gefreut, die Gesammtarbeit solcher Künstler müßte ein sehr schönes Werk hervorbringen, auch hat es in meiner Zeitschrift schon sein ehrenvolles Plätzchen gefunden.

Möge alles gute Glück den Abschluß Ihres Hauptunternehmens begleiten; meine Gedanken werden auf der Papier Reise immer bey Ihnen seyn. Lassen Sie mich von Zeit zu Zeit das Nähere vernehmen; denn ich kann mich immer nicht enthalten, die unübersehbaren Schwierigkeiten zu empfinden, die Sie bey diesem Werk schon überwunden und zu überwinden haben.

Fünf einsame Wochen hab ich thätig genug in Jena zugebracht, denken Sie meiner im Guten, wenn Sie die Resultate gewahr werden.

Wäre es auch nur wenige Tage, so wünscht ich mit Ihnen am Rhein und Main die früheren Lebendigkeiten zu erneuern; sagen Sie mir ein deutliches Wort über den Zustand der Wiesbader Quellen; sodann[118] aber versäumen Sie nicht, mir von den Freunden auf der Mühle Erfreuliches zu melden, ich habe so lange von dorther nichts gehört und es will mir immer nicht in den Sinn, so freundliche Erworbenheiten ganz fahren zu lassen; indessen ich freylich bekennen muß, daß meine actio in distans weder sehr kräftig noch anhaltend ist. Von Brentanos und Quaitas gönnen Sie mir auch ein Wort. Leben Sie zum besten und schönsten und gedenken an den Einsiedler, der, von seiner Klause aus, das Meer doch immer tosen hört. Von meinen Äußerungen wegen der Büste machen Sie ja den bescheidensten Gebrauch, es ist mir immer Angst, wenn ich irgend einen Rath gegeben habe, denn wer kennt die Folgen eines Gedankens, wenn er auch im Anfrage noch so gut war, sie können umschlagen.

treulichst

Jena den 16. Juli 1820.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1820. An Sulpiz Boisserée. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-846D-6