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An Eugen Napoleon Neureuther

Daß die sechs Exemplare Ihrer werthen Hefte bey mir glücklich angekommen sind will ich sogleich zu melden nicht verfehlen. Wenn man sich wegen des kleinen Formats beruhigen und allenfalls eine mäßig vergrößernde Linse zur Hand genommen hat, so erkennt [255] man freylich den alten, geliebten, vielgeschätzten Neureuther immer wieder, in seiner unbestechlichen Naivetät lebendig, in diesen Miniaturzügen.

Die Glorie (und man darf die Fülle so nennen, womit Sie das königliche verehrungswürdige Gedicht zu umgeben gewußt) ist höchst würdig und herrlich; ich habe das Blatt Zug vor Zug, Strich vor Strich durch eine bequeme Linse betrachtet und bewundere die ganz eigene weite Conception so wie die gehörige Ausführung. Das Unerwartete ist richtig gedacht und bis in's Einzelne sinnig, ohne Pedanterie durchgeführt. Was ließe sich hierüber nicht alles noch sprechen und auslegen.

So ist auch der Taucher von großem Verlag; ich vermeide zu sagen, welche ernste Gedanken sich dabey aufdringen.

Desto heiterer mag man sich ergehen über die Behandlungen des Zauberlehrlings, welcher aus der schwellend hinrollenden Überlieferung des Mährchens in eine überphantastische Mannichfaltigste gerückt ist. Sie haben sich glücklicher Weise von dem historisch-prosaischen Abenteuer losgemacht, die Besen als Standarte aufgestellt und ihren Einfluß der Einbildungskraft überlassen, die Wasserfülle dagegen durchaus auf's geistreichste ausgesprudelt. Der bedachtsam herrschende Meister, auf der Blumnekrone, erscheint im gehörigsten erscheint Ausdruck von Gesicht- und Händemiene. Ich sage dieß in Gegenwart des durch [256] die Linse vergrößerten Bildes, mit Sinnen die mich nicht leicht betrügen.

Dem Vogelsang mußten Sie zuviel verleihen; das letzte Blatt: der Sänger unten, das Mädchen oben, sind bestechend für jedermann.

Soviel in einem eilenden Augenblick, um Sie meines fortdauernden Antheils und wahrhafter Hochschätzung zu versichern.

Doch kann ich nicht unterlassen noch einiges hinzuzufügen: In allen diesen Blättern, wie in den früheren, findet sich kein Zug der nicht gefühlt wäre, und selbst die Elemente, die Sie zu Uhren Schöpfungen genialisch zusammenrufen, verwandeln sich einer zwar phantastischen, durchaus aber geistreichen Natur gemäß. Ich bin sehr verlangend auf die Folge; denn bisher mußt ich mir immer sagen: Ihre Werke bestehen mich, indem sie meine verschiedensten Erzeugnisse auf eine eigene wunderbare Art, in einer eignen Sphäre, zu einem seltsamen Leben befördern.

Indem ich nun zugleich vermelde daß der Betrag der sechs Exemplare mit 5 Thaler sächsisch durch die fahrende Post unter Ihrer Adresse ist, so will ich nicht eins bemerken, worum Sie Ihren Commissionär auf das dringendste zu ersuchen haben, d. i. auf das sorgfältigste das Einpacken zu besorgen. Dießmal waren die Exemplare zur rechten Hand des Lesers und unten in derselben Ecke geknillt und gestaucht, [257] auf eine Art die der Buchbinder wohl wieder zurechte bringen konnte. Sollten aber bedeutendere Beschädigungen in der Folge entstehen, so kämen wir in Gefahr, daß die Subscribenten die Exemplare nicht annehmend wollten, wodurch unangenehme Weiterungen entstünden. Das Heft, wie es liegt, ist in allem so schön und reinlich daß auch wohl für fernere Beschützung Sorge zu tragen billig ist. Ja man kann hierin eine übertriebene Sorgfalt nicht genugsam anempfehlen; man hat mir verschiedene Male die köstlichen Dinge zugedacht, welche durch schlechtes Einpacken zu meinem größten Schmerz durchaus unerfreulich geworden sind.

Möge dieses Blatt Sie auf's neue von meiner lebhaften Theilnahme überzeugen.

Weimar den 28. Februar 1832.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1832. An Eugen Napoleon Neureuther. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8484-0