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An Johann Jacob von Willemer

Entbehrung ist ein leidiges Wesen, an sich selbst nichts und das Wenige aufzehrend was der Tag noch[193] allenfalls enthalten könnte. So verlebe ich nun schon bald ein Vierteljahr, ohne mir fremd und ohne mir selbst zu seyn. Wenn ich also auf der Mühle nicht erscheine und weder den Mühlherrn noch die Müllerin noch Knappen und Sippschaft begrüße; so deutet das auf nichts weiter als daß ich immer da hin und aus der Ferne die traurige Entbehrung nicht auch noch mit Worten besiegeln mag.

Da laß ich nun das hübsche Bildchen des Mayns zwischen den Aschen hundertmal wiederholen und meyne immer ich könnte dadurch auf den Altan gelangen; wie denn diese Tage eins dergleichen an die Herzogin von Cumberland abgehet, um ihr zu sagen, wie hübsch es da den andern Morgen war, wo sie sich zu Nachtzeit mit Laterne hinverirrte.

Jenes Blättchen aber, dem 28. August 1815 gewidmet, hatte 1816 kein Gegenstück denn gerade an dem Tage verließen mich zwey Freunde, die, als gute Gesellen und Besuch, in dem mittelländischen Thüringen mit mir gehaust hatten.

Nicht ohne freundliches Angebinde, Musik und dergleichen, verstrich Tag und Abend, und so konnte ich, denn doch in freundlicher Umgebung des vorjährigen Festes im Stillen gedenken.

Nach Hause zurückgekehrt, fand ich weder den kosmischen noch politischen noch physiologischen Himmel erheitert, welches wohl an mir liegen mochte, und nur soviel kann ich meinen werthen Freunden, die [194] mir das Beste wünschen, versichern, daß nur ununterbrochene Thätigkeit nach innen und außen mich lebendig erhält, und daß ich nichts mehr wünsche, als Ihnen möge dadurch auch etwas Erfreuliches erwachsen.

Freundliche Nachrichten, wenn die Stadt wieder bezogen worden, und Versicherungen, daß auch dort meiner gedacht wird, gereicht mir zur schönsten Erquickung dabey bleibt aber immer Wahrheit, daß Entbehrung eine schlechte Sache sey, besonders auch, weil sie das Wort in die Ferne kürzt. Die weltbürgerischen, wohlgemeinten Worte, in Weimar freundlichst aufgenommen, sind nach Jena befördert. Der unchristliche Christian E. scheint seinen Spott abermals mit mir zu treiben, indem er sein Pfeifchen vor meiner Hausthüre ankündigt. Es ist aber schon Bestallung auf ihn gemacht und es erwartet ihn eine leidliche Hast, wornach sich zu achten. Möge ein schöner Sonnenuntergang die Stunde der Ankunft dieses Schreibens bezeichnen.

treu verbunden.

W. d. 6. October 1816.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1816. An Johann Jacob von Willemer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8510-A