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An Christoph Ludwig Friedrich Schultz

Mit einer Antwort zu eilen veranlaßt mich der Inhalt Ihres lieben Briefes; daß ich hoffen kann, Sie wieder zu sehen, erfreut mich gar zu sehr, als daß ich es nicht aussprechen sollte. Warum man Sie, [282] mein Theuerster, nach Bibra sendet, kann ich nicht beurhteilen; zwar war ich niemals daselbst, aber oft in Lauchstädt, ziemlich in der Nähe, und habe nie Besonderliches davon vernommen. Auf alle Fälle vermelde ich, daß Sie mich in der ersten Hälfte des Julius gewiß zu Hause finden, und daß ein ruhiger, reinlicher, nach einem Brande wohlaufgebauter Badeort, Berka an der Ilm, uns ganz in der Nähe liegt, man fährt's in fünf Viertelstunden. Die Ihnen verordnete Milchcur ist ja überall zu nehmen. Sie treten bey uns ab, wir recognosciren den Ort, wo ganz artige Quartiere zu haben sind; auf alle Fälle bitte mir sogleich von Bibra zu schreiben.

Eine genaue Recension Meyers von den Raabischen Bildern wird sie Ihnen noch genießbarer machen, wenn schon jetzt die Vergleichung mit den schwarzen Kupfern hinreichende Anleitung giebt. Daß mein Prolog Beyfall erhielt, freut mich sehr, ich konnte den zutraulichen Antrag nicht ablehnen, ob ich schon mit Gelegenheitsgedichten nicht gern in die Ferne wirke. Den guten Willen der braven Berliner gegen mich weiß ich gewiß zu schätzen, leider daß ich nicht in Person dafür zu danken im Stande bin; seit acht Monaten habe Haus und Garten nicht verlassen, befinde mich aber sehr wohl dabey und vermachte mancherley zu Stande zu bringen, wie Sie gesehen haben und noch sehen werden. Verschiedenes muß noch eine Zeitlang im Verborgenen bleiben, welches[283] aber bey unserer Zusammenkunft gar wohl mitzutheilen wäre.

Zu melden versäume ich nicht, daß das theure großfürstliche Paar sich einen Morgen bey mir gar freundlich unterhalten hat; die liebenswürdige Alexandra versprach mir ihre Büste von Rauch; fragen Sie den werthen Mann, mich schönstens empfehlend, ob er sie mir wohl auf mein Wort übersenden möchte, damit ich mich deren diesen Sommer über in meinem Lararium erfreuen könnte. Grüßen Sie alles, Herrn Schinkel besonders, dem ich aber- und abermals Glück zu seinem so sehr gelungenen Gebäude zu wünschen Ursache habe. Wenn man die Anstrengungen im Ganzen überdenkt, die seit den drey Jahren dazu nöthig waren, so muß man erstaunen und sich freuen.

Nun muß aber anzeigen, daß der gute Ernst Schubarth von Breslau gerade in dieser Zeit nach Berlin zu reisen gedenkt. Sie lassen wohl ein Billet an ihn zurück, wohin er sich während Ihrer Abwesenheit allenfalls zu wenden habe; er verdient auf alle Weise, daß man sich seiner annehme. Er hat mir sechs Bogen eines Aufsatzes geschickt: über Homer und sein Zeitalter, von schöner und klarer Übersicht, zusammentreffend mit dem, was wir in unserem Kreise für wahr und recht halten. Er wird in dieser verworrenen und sich immer mehr verwirrenden Zeit gewiß viel Gutes stiften und alle fördern, die sich reiner Ansichten erfreuen.

[284] Und so möchte denn für dießmal geschlossen seyn. Ich freue mich gar sehr Ihrer Annäherung und hoffe auf baldiges Zusammentreffen.

treulichst

Weimar den 14. Juni 1821.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1821. An Christoph Ludwig Friedrich Schultz. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-851D-0