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An Christian Gottlob Voigt

Wohlthätiger konnte mir nichts seyn als daß Ew. Excellenz wieder zum Vortrage sich eigefunden, und daß ich sodann von Ihrer eigenen Hand vernahm wie das uns alle beängstigende Übel auch nur ein Übergang gewesen. Mögen die in unserer lieben Zeitlichkeit immer wechselnde Zustände einem so theuren Freunde und dadurch uns selbst zum Allerbesten gerathen.

Die verspätete Zahlung erfolgt hierbey. Ich habe die Exemplare mit gutem Muth und Wunsch in die Sparbüchse von lieben Kindern niedergelegt, und es mag seyn daß wir uns auf unsere Eigenheit etwas einbilden, aber diese Medaille wird sich künftig im hohen Range erhalten. Daß Ew. Excellenz, nach aufgewendeter [116] Sorge und Mühe, wenigstens ohne Schaden und Mühe geendigt, ist in dieser lieben deutschen Zeitlichkeit schon dankenswerth, wo jeder dem andern den heutigen Tag verkümmern muß, um nur nothdürftig selbst etwas zu gelten. Mögen Sie außer dem was für die Bibliothek bestimmt ist, auch Ein Dutzend für die Zeichenschule zurück behalten und beide Zahlungen geneigtest aus der Casse heben, so wird in folgen der Zeit gar manchen jungen nachstrebenden Gemüthern etwas höchst Erfreuliches zu Theil werden.

Was Ew. Excellenz beygetragen um ein so ehrenhaftes und unserm theuern Fürsten wahrhaft so nothwendiges Verhältniß wieder herzustellen möge Ihnen und uns wie Tausend Anderes zum Segen gedeihen.

Angeregt durch ein Wort Ihres Schreibens, wo die Zeit als ein seltsamer Genius zur Bedeutung kommt, möchte ich so viel sagen: hat man denn ganz vergessen daß die Zeit ein Element ist, das nur Werth und Würde durch den Sinn des Menschen erhält. Was ist denn Wasser und Feuer wenn wir sie gewähren lassen aus Ohnmacht, Unverstand oder Leichtsinn? und so ist's auch hier – und wie viel wäre noch hinzusetzen.

Was mich auf der Zinne, bey einer in Großherzoglichen Landen vielleicht einzigen An- und Aussicht, dennoch betrübt ist das Gefühl der Einsamkeit und Überzeugung daß ich die werthesten und würdigsten[117] Freunde dieses obgleich sehr bedingten doch immer hübschen Genusses nicht theilhaft machen kann.

Ein Wagestück weitläufige Commissionen in eine Leipziger Kupferstichauction zu geben ist mir besonders geglückt: denn da mir nur darum zu thun ist meine Sammlung in kunsthistorischem Sinne zu vervollständigen habe ich meistens nur solche Dinge bezeichnet die jetzt in Verachtung oder gar, wie die Studenten sagen, in Verschiß sind, dadurch ist eine Last von guten Kunstwerken zu mir gekommen, die mir noch lange Zeit nach dem ersten Genuß genugsam zu denken geben. Und daß eine solche Unterhaltung hier am Ort höchst nöthig sey ermessen Ew. Excellenz ohne daß ich umständlich werde. Die Societät ist hier, wie überall und vielleicht noch mehr, von dem wichtigen Interesse des Tags erschüttert, wo jeder Einzelne das allgemeine Wohl und Weh zum Vorwand nimmt um seine Abneigungen möglichst wirksam zu bethätigen.

Nächstens sende das dritte Heft von Kunst und Altherthum, dessen Abfassung, Druck und Revision mir manche lange Winterzeit verkürzten und die Nächte zum Tag verlängerten.

Schließlich nehmen Ew. Excellenz gewiß freundlichsten Antheil, wenn ich vermelde daß ich mich so wohl befinde als ich nach Jahren und Umständen nur hoffen kann. Auf Morgen ist mir die erste Dose frischen Löwenzahns versprochen, wovon ich denn die trefflichen Wirkungen schon vor'm Jahr zu preisen[118] hatte. Möge bald mir das Glück werden persönlich aufzuwarten, gar manches zu referiren und mir wie sonst Rath und Beystand zu erbitten.

Ihrem verehrten Kreise mich angelegentlichst empfehlend

treu geeignet

Jena den 29. März 1818.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1818. An Christian Gottlob Voigt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8523-F