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An Ludwig Heinrich von L' Estocq

[Concept.]
Hochwohlgeborener
insonders hochzuehrender Herr!

Ew. Hochwohlgeboren erlauben in einem, für den mir zugetheilten Geschäftskreis nicht unbedeutenden Falle Deren geneigte Vermittlung anzugehen.

Dieselben werden sich gefälligst erinnern, daß in dem Juni vorigen Jahres, auf Anregen des Herrn Minister Grafen Bernstorff Excellenz, mit Verwilligung der hohen Gesammt-Curatel der Academie Jena, ein sogenannter Jenaer Codex der späteren Minnesänger zu Gunsten des Herrn von der Hagen nach Berlin von Unterzeichneten abgesendet worden; worauf denn, unter dem 2. Juli, von dem glücklichen Anlagen desselben durch Herrn Ministers v. Altenstein Excellenz Kenntniß gegeben, auch zugleich die Zusicherung ertheilt ward, daß jenes Manuscript, diesseits gewünschtermaßen, in zwey bis dery Monaten wieder zurückerfolgen solle.

Nun ist aber seit der Zeit schon über ein halbes Jahr verflossen, und die Zurückerstattung des kostbaren [58] Manuscripts wäre in mehr einem Sinne wünschenswerth, indem das längere Entbehren eines solchen Schatzes allerdings bedenklich bleibt, besonders da nach Aussterben der herzoglich gothaischen Linie und der darauf erfolgten Ländervertheilung die Curatel der Academie Jena eine andere Gestalt gewonnen.

Sollte nun die Sache zur Sprache kommen, so würde mir als dem dermaligen Vorgesetzten zur Verantwortlichkeit gereichen, daß ich , da die Vergünstigung nur auf zwey, höchstens drey Monate gelautet, dieser Angelegenheit nicht früher Erwähnung gethan.

Ich nehme mir daher die Freyheit, Ew. Hochwohlgeboren geziemend anzugehen und Dieselben zu ersuchen, sich in geneigter Vermittlung zu bemühen, daß dieses Manuscript, vielleicht ohne weitere Anregung, unter meiner Adresse, wohlgepackt anher gesendet werde. Sollte sich aber hiebey einige Schwierigkeit finden, so füge das gehorsamste Gesuch hinzu, mir einigen Winkt zu geben, welchen Weg ich einzuschlagen habe, um für die jenaische academische Bibliothek auf die schicklichste Weise zu diesem kostbaren Schatze wieder zu gelangen.

Der ich die Gelegenheit ergreife, mich der freudigen Tage zu erinnern, an welchen mir das Vergnügen ward, Ew. Hochwohlgeboren bey uns zu sehen. Wobey ich zu gedenken nicht verfehle, daß sich zunächst die angenehmsten Stunden erneuerten, indem die ersehnte [59] Gegenwart Ihro Königlichen Hoheit des Kronprinzen und Höchst Ihro Geschwister zu frohen, aussichtsreichen Festen einen mannichfaltigsten Anlaß gaben; die denn auch desto vollkommner gefeiert werden konnten, als die besten Nachrichten von Ihro Majestät Genesung von Zeit zu Zeit einlangten. Möge jeder fromme und herzliche Wunsch an allen erfüllt werden.

Indem ich es mir zur Ehre rechne, mich mit vollkommenster Hochachtung unterzeichnen zu können.

Weimar den 15. Februar 1827.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1827. An Ludwig Heinrich von L' Estocq. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8529-3