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An Carl August Varnhagen von Ense

Ew. Hochwohlgeboren

haben mich durch die übersendete Zeitschrift auf's neue verpflichtet. Es ist auf jeden Fall merkwürdig zu[166] sehen wie so nach und nach die Wirkungen eines langen Lebens durch die Welt schleichen, auch da und dort, nach Zeit und Umständen, Einfluß gewinnen. Ich mußte lächeln als ich mich in einem so fernen und überdieß republikanischen Spiegel zu beschauen hatte.

Übrigens macht dieser Aufsatz auf jedermann eine gute Wirkung; so viel Verstand und Einsicht, verbunden mit einem jugendlich-wohlwollenden Genuß an dem Dichtwerke, erregt eine gewisse theilnehmende anmuthige Empfindung. Selbst die Lücken wo ihm besondere Kenntniß abging wußte er freundlich auszufüllen, und überhaupt das Ganze mit Euphemismus abzurunden.

Meine Schwiegertochter empfiehlt sich zum allerschönsten. Eine Colonie junger Engländer, Schotten und Irländer, die sich hier in einer gewissen Folgenreihe perpetuirt, veranlaßt unsrer Frauenzimmer englische Sprache und Literatur zu cultiviren und es ist nicht zu leugnen daß daraus eine geistreiche interessante Unterhaltung entsteht. Sie grüßt zum besten, nur will sie die Engländer nicht so gar engherzig finden.

Das nordamerikanische Heft sende nächstens zurück, Sie werden selbst am besten beurtheilen welch ein schicklicher Gebrauch davon gelegentlich zu machen sey.

Auch erhalten Sie eine Rolle mit dem Standbilde des Grafen Schulenburg, zu Corfu errichtet; nehmen Sie jenes früher citirte Familienblatt geneigt auf und bewahren es mir zum Andenken. Dem Historiker ist es [167] gewiß interessant daß er, durch zwey Generationen vermittelt, über ein Jahrhundert persönlich zurückgreift; die Statue ist 1716 gesetzt und mein Vater brachte das Blatt etwa zwanzig Jahre später mit zurück.

Ihrer Frau Gemahlin empfehle mich zum besten. An ihrem frühsten Wohlwollen und einer ununterbrochenen auf mich einflußreichen Theilnahme erfreu ich mich schon viele Jahre. Eine solche Dauer der Gesinnung ist doch eigentlich das Kräftigste das an irgend etwas Bestehendes glauben läßt.

Der Unfall unseres Theaters hat Sie gewiß auch um meinetwillen betrübt; ein größeres Unglück haben Sie freylich überstanden; glücklicherweise befind ich mich aus dem Gleichgewicht zu kommen.

Was zu Gunsten einer neuen Ausgabe in Frankfurt verhandelt wird ist meinen Freunden gewiß erfreulich. Ich darf hoffen daß ihre Theilnahme sich bey dieser Gelegenheit zum schönsten hervorthun wird. Meine Sorge ist nur, daß ich in meinen späten Jahren das Geschäft dergestalt einleite um in der Folge, ohne Sorge, daraus abscheiden zu können. An Fleiß und Aufmerksamkeit hat es bisher nicht gefehlt; über die weiteren Fortschritte das Nähere, sobald etwas Entschiedenes zu melden ist.

Nachsicht! Antheil! Wohlwollen!

treulichst

Weimar den 3. April 1825.

Goethe. [168]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1825. An Carl August Varnhagen von Ense. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8532-D