6/1749.

An Charlotte von Stein

[Wilhelmsthal, 16. Juni.]

Wir sind in Wilhelmsthal. Ludekus ist schon seit Sonnabend angelangt, es ist Montag um halb zwölf Mittag und der Prinz ist noch nicht da. Was Ludekus erzählt läßt sich nicht armseeliger dencken.

Es ist mir wohlgegangen und doch hab ich keinen Genuß gehabt. Bey allem guten und schönen gedencke ich nur an dich, was sonst meine Seele erhob, macht ietzo nur den Wunsch rege es mit dir zu geniessen.

Du wirst meinen Brief und das Säckgen von Gotha haben. Da ich arm bin, kann ich dir nur welcke Früchte opfern. Gedencke an mich wann man dir sie aufträgt. Ich kann mich keinen Augenblick von dir entfernen, dein Bild ist mir viel lebhaffter als die Gegenstände die mich umgeben, ich bin eingeschränckter als iemals.

[172] Der Herzog ist aus sehr guten Weegen, wir haben über viel Dinge gar gut gesprochen, es klärt sich vieles in ihm auf, und er wird gewiss in sich glücklicher und gegen andre wohlthätiger werden.

Lebe wohl, liebe Lotte. Wenn doch nur alles auf dem Papier stünde was ich für tausend Gedancken in stillen Unterhaltungen an dich richte.

Grüse Steinen und Fritzen. Mit Sehnsucht verlang ich wieder bey dir zu seyn, denn ich habe nichts eignes mehr. Manchmal wünsch ich es mögte anders seyn manchmal wünsch ich meinen Gedancken eine andre Richtung zu geben. Es ist und bleibt unmöglich. Lebe wohl. Bleibe mir! Wie sehr verlangt es mir einen Buchstaben von dir zu sehen!

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1783. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8538-1