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An die Großherzogin Maria Paulowna

[13. August 1816.]

Durchlauchtigste Erbgrosherzoginn,
gnädigste Frau,

Ew. Kayserlichen Hoheit gnädigstes Schreiben beglückt mich in einer seltsamen Einsamkeit, in Tennstedt einem der wohlgelegensten Landstädtchen in Thüringen. Wie ich dahin verschlagen worden ist ein wunderliches Abenteuer; möge die Wirckung der Badecur erfreulicher seyn als die Veranlaßung mich hierher zu wenden! und so ist denn ein Schreiben von Ew. Hoheit verehrtester Hand mir unterpfändliche Versicherung daß ich hier in einem sichern Hafen gelandet sey.

Beyderseits Ew. Hoheiten rein menschlicher Theilnahme, in guten und bösen Tagen, bin so vollkommen versichert daß ich nichts genieße noch leide ohne Höchstderselben Gnade und Huld Zutrauensvoll zu gedencken.

Sehr erwünscht waren sodann mir und Hofr. Meyer die zugleich angekommene Zeichnungen. Hier giebt die große Bestimmtheit gefälliger Verzierungen – was auch im Einzelnen abzuändern beliebig seyn möchte – ein sicheres Anhalten, höchst nötig bey einem so wichtigen, und doch so manchem Schwancken und Zufälligkeiten ausgesetzten Geschäft. In der Hauptanlage sind die Zeichnungen von nicht zu verkennendem guten Geschmack und Zweckmäßigkeit, ihnen folgend läßt sich nun nicht mehr irren und im Einzelnen [142] bleibt immer Spielraum genug übrig um weislich nachgeben zu können.

In Rücksicht auf diesen bedeutenden Bau, der Ew. Hoheit eine angenehme Umgebung bewircken soll, war man früher mit einem Künstler Nahmens Kaufmann schon übereingekommen, der bey Canova in Rom gegenwärtig arbeitet, auch in allem dem wo Plastik der Architecktur zu Hülfe kommen, in der Zierlichkeit anmuthiger Forderungen sich fügen soll, gewandt ist. Nun hat man Verfügung getroffen, daß er, wo möglich noch vor Winters, in Weimar einlange und die Arbeiten, welche den Zeichnungen gemäß erforderlich sind, beginne; nicht weniger mit seinem Rath hinzutrete wie die Stuckarbeit, Staffirmalerey und wie sonst die Erfordernisse alle heißen, Verguldung nicht zu vergessen, bey uns wieder herangebracht werden können, da seit Beendigung des Schloßbaues zwar einiges sich erhalten, jedoch zu dem neuen Unternehmen keineswegs hinreichend. Schließlich bedarf es wohl keiner Betheurung daß auch Meyer, welcher in diesen schlimmen Tagen treulich bey mir gehalten, den Trost gegen die Remora die uns in Thüringen hält, mit mir einzig darin findet: daß wir in der Stellung, eine Ew. Hoheit so nahe betreffende Angelegenheit immer im Auge zu behalten. Möge das Glück uns bald Ihro Beiderseits erfreuliche Gegenwart gewähren.

Ew. Kayserl. Hoheit

unterthänigster

J. W. v. Goethe.

Tennstedt d. 7. August 1816.
[143]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1816. An die Großherzogin Maria Paulowna. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-853E-6