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An Carl Ludwig von Knebel

Vielen Dank für die freundlich wiederholten Zuschriften, die mich immer anregen bey euch einen Besuch und wär es auch nur einen kurzen abzustatten: denn es ist am Ende gar zu drückend, wenn man immer auf einem Platze verharren soll. Da treten aber mancherley Gebrechen hervor und die unsichern Nebel- und Regentage sind keineswegs aufmunternd. Daß ich euch durch meine Italiänische Reise etwas Erfreuliches bereiten konnte, macht mir sehr viel Vergnügen; ich denke so fort zu fahren und so hilft mir das Bild früherer Tage über den Ungenuß der gegenwärtigen.

Die Farbentafel ist wundersam sauber gestochen und illuminirt, ich möchte wohl das ganze Werk sehen. Diese 4. Tafel deutet freylich auf das was ich in [224] meiner Farbenlehre aufgestellt habe, worauf die Engländer nach und nach kommen, so wie es die übrige Welt auch anerkennen wird, wenn wir gelegentlich aus ihrer Mitte geschieden sind.

Jetzt beschäftigen mich die Seebeckischen entoptischen Farben sehr lebhaft. Ich schreibe ein Supplement Capitel zu meiner Farbenlehre als ein Tüpfchen auf's i. Da meine ganze Bemühung, von jeher dahinauslief die Phänomene klar vorzuzeigen und sie zu sondern und nach ihrer Verwandtschaft zu ordnen, so kommt mir jede neue Entdeckung zu paß, denn sie fügt sich an und füllt eine Lücke. Die Newtonische Optik, dieser Mickmack von Kraut und Rüben, wird endlich einer gebildetern Welt auch so ekelhaft vorkommen, wie mir jetzo.

Schweigger hat viel Gutes und Bedeutendes aus dem unendlich rührigen England mitgebracht. Ihre Gasbeleuchtung ist schon bis in den jenaischen Schloßhof gedrungen, wie du vielleicht vernommen hast.

Es langt so vielerley bey mir an, und so manches dringt auf mich ein, daß ich mündlich viel zu erzählen hätte, was schriftlich nicht wohl gelänge.

Das eigentlich Interessanteste sind die Abdrücke der Wiener Gemmen, wo freylich etwas zu sehen und zu lernen ist.

Ein ganz entgegengesetztes Interesse hat Professor Renner wieder bey mir aufgeweckt, die längst entschlafene [225] comparirte Anatomie. Ich will meine Sammlung nach Jena hinüber schaffen, sie ist in manchem Sinne sehr schätzbar.

Auch hab ich mich in diesen trüben Winterstunden durch Betrachtung der vom Westerwald mitgebrachten Mineralien aufgeheitert. Man läßt die Sachen, die man aus der Fremde zusammenschleppt, nur allzulange unbenutzt liegen, weil man bey der Nachhausekunft gar zu sehr gleich wieder bestürmt wird. Sehr schöne Beyspiele zur Erläuterung der schweren Lehre von Verschiebung der Gänge hab ich an der Lahn gefunden. Einen Aufsatz darüber fing ich an, nur kann man ohne bildliche Darstellung nichts leisten, ja Zeichnungen wollen nichts helfen, es müssen Modelle seyn.

Das beste Lebewohl

Weimar d. 7. November 1816.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1816. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8595-2