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An Antonia Brentano

Da mein Bürger-Schifflein (leider nicht reichlich beladen) den Anker lichtet, so ist es sehr liebenswürdig daß die Freundinnen mit dem Tüchlein winken, um den Scheidenden zu erinnern daß das Beste zurückbleibe. Haben Sie Dank für Ihren Wink und nehmen meinen Gegengruß in beyliegenden Blättern, die Ihnen ganz allein verständlich seyn können.

Schon im Gedanken freue ich mich ein so kostbares Bild, wie Sie mir anzeigen, in Ihrem Besitz zu wissen. Schreiben Sie mir wie Sie es aufgestellt haben: denn ich weiß noch recht gut wie Ihre Bilder versammelt und vertheilt sind. Vielleicht findet sich auch ein Kupfer desselben.

[7] Ihr Freund ist meist auf Entbehrung eingerichtet, doch besuchen ihn manchmal dergleichen Heilige, Götter und Abgötter, die denn auch nach Würden ihre Verehrung finden.

Den guten Grambs bedaure ich; und doch müssen wir ihn glücklich preisen, daß er ein unerfreuliches, ja leidendes Leben durch die so zarten als hohen Kunstfreuden nicht nur erträglich, sondern auch erquicklich machte.

Freundin Paula meldete mir ihre Abreise nach Paris und erbot sich Aufträge zu besorgen; ich habe von dorther mancherley zu wünschen und will sehen was sie mir mitbringt, es wäre möglich daß sie es ohne Auftrag gerathen hätte. Ihr echt deutsches Wesen mag sich dort nicht sonderlich behagen.

Öffentliche Nachrichten von dem Befinden des Herrn Minister von Stein beunruhigen uns; empfehlen Sie mich ihm dringend, er ist ein Stern den ich bey meinem Leben nicht möchte hinab gehen sehen. Sagen Sie mir auch etwas von seiner zweyten Tochter! Das ist ein wundersames Kindesbild, das ich nicht los werden kann. So verfolgen mich mitunter Gestalten und Wesen mit eigner Lieblichkeit und Kraft. Hätte man aber auch nicht die Sicherheit dieser unwillkürlichen Eindrücke, wie könnten uns unsere fernen Freunde immer gegenwärtig seyn.

Was übrigens Ihr Freund für ein unschuldiges, einsiedlerisches Leben führe, können Sie daraus ersehen, daß ihm keins von denen vielen, tagtäglich [8] bey uns herumflatternden Blättern, Blättchen, Heften und Heftchen vor Augen kommt. Ungerechtigkeit und Unbilligkeit sind an der Tagesordnung; Wie können Partheyen gegen einander irgend eine Rücksicht nehmen? Wie soll man abgeschiedene Vorzüge würdigen, da es nur darum zu thun ist currente Unarten gelten zu machen? Wahrscheinlich ist es so in dem Falle worüber Sie Sich beschweren. An meiner Tagesordnung ist die Maxime: man muß sich selbst schonen wo nichts geschont wird, und wie Diogenes sein Faß in der allgemeinen Verwirrung hin und her wälzen. Das haben Sie denn freylich, verehrte Freundin, um ein Großes besser, am Sonnenende des herrlichen thätigen Frankfurts, wo das schlimme Wetter selbst nicht schlecht aussehen kann, und wo Sie im Hause, wenn Sie im schönsten Familienkreise noch irgend eine Art Ungeduld überfiele, nur vor Ihren van Dyck treten dürfen und von da, an allerley irdischen und himmlischen Bildern vorbey, bis zum berühmtesten aller Hasen zu wandern haben um völlig hergestellt zu seyn. Das alles will ich Ihnen nicht beneiden, sondern im Geiste Ihrem Glück folgen.

Nun aber nehme ich für dießmal Abschied, und bitte, mich Ihrem Herrn Gemahl, in Ihrem Kreise und der Nachbarschaft auf's liebenswürdigste zu empfehlen.

auch aus der Ferne

gegenwärtig

Jena d. 16 Jan. 1818.

Goethe. [9]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1818. An Antonia Brentano. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8596-F