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An Friedrich Schiller
In Betrachtung der Kürze und Vergänglichkeit des menschlichen Lebens (ich fange meinen Brief wie ein Testament an) und in Ermangelung des Gefühls eigner Production, habe ich mich, gleich Dienstag Abends, als ich ankam, in die Büttnerische Bibliothek verfügt, einen Voltaire heraufgeholt und den Tancred zu übersetzen angefangen. Jeden Morgen wird etwas daran gearbeitet und der übrige Tag verschlendert.
Diese Übersetzung wird uns wieder in manchem Sinne fördern. Das Stück hat sehr viel theatralisches Verdienst und wird in seiner Art gute Wirkung thun. Ich will etwa noch 8 Tage hier bleiben und, wenn mich der Genius nicht auf etwas anders führt, so werde ich gewiß mit zwey Drittheilen fertig. Übrigens habe ich noch viele Menschen gesehen und mich einigemale ganz wohl unterhalten.
Schreiben Sie mir auch was Ihrer Thätigkeit gelungen ist und wann Sie nach Lauchstädt zu gehen gedenken?
Grüßen Sie Ihre liebe Frau und gedenken Sie mein.
Jena am 25. Juli 1800.
G. [89]