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An Christian Gottlob Voigt

Für das mir gezeigte freundschaftliche Andenken und die ertheilten Nachrichten danke zum schönsten. So viel Interessantes uns auch in der Fremde umgiebt, so behalten doch die Verhältnisse von zu Hause immer eine größere Nähe, in die man sich am besten und am liebsten hineindenkt und fühlt.

Ich sende hier die Preise, wie ich sie theils aus dem Wochenblatt, theils durch einige Nachfragen erfahren habe, Sie werden daraus sehen daß gewisse Victualien in einem sehr hohen Preise stehen, wegen der Früchte wird eine Reduction auf unser Maß die nöthige Belehrung geben.

Die Erndte will man hier nicht loben, es soll in [254] den Bunden, in Maß und Gewicht fehlen und sie soll daher nur höchstens für eine halbe Erndte zu halten seyn. Aus der Gegend von Heidelberg aber sind bessere Nachrichten.

Der Gerstenpreis auf der Tabelle steht wohl nur so hoch, weil es noch alte Gerste ist.

Was man überhaupt von Krieg und Frieden denken soll weiß niemand. Im Ganzen scheint es wohl daß sich alles entweder zugleich lösen, oder zugleich wie der verwirren wird. Österreich setzt sich auf alle Weise in einen formidablen Zustand. Die Noth der Ortschaften, in welchen die Franzosen gegenwärtig noch liegen, geht über alle Begriffe. Die Gemeinden der Städte und Dörfer verschulden sich dergestalt, daß sie auf ewige Zeiten keine Rettung sehen, indem sich jede nur in dem Taumel der Bedrückung für den Augenblick retten will. Man sagt, mehrere wünschten auszuwandern und alles gegenwärtige zurückzulassen, um sich nur auf die Zukunft nicht zu verbürgen.

Auf einem besondern Blatte bin ich so frey Sie um Erhebung meines Michaelisquartals zu bitten. Haben Sie die Güte Zweyhundert Thaler davon gegen eine, von mir unterzeichnete Anweisung, welche man Ihnen seiner Zeit präsentiren wird, an die Meinigen zu zahlen. Ferner die Zurechnungen bey sich gefällig aufzuheben und das übrige baldigst an meine Mutter nach Frankfurt zu übermachen.

[255] Bey dem Schloßbau werden Sie, nach alter Art und Weise, schrittweise fort gehen und das Nöthige zu besorgen die Güte haben; sollte unser neuer Mitkommissarius der, wie wir schon wissen, zu skeptischen Äußerungen geneigt ist, bey Fällen wo es die Construction betrifft Zweifel, die Bedenken machten, vorbringen, so würde wohl auf einen fremden Baumeister und, meo Voto auf einen sächsischen, zu compromittiren seyn. Doch weiß ich leider aus der Erfahrung wie wenig bey solchen Consultationen herauskommt und wie kostspielig sie sind. Daher sey alles Ihrer klugen Leitung überlassen.

Dürfte ich bitten von nun an die Briefe an mich anCotta nach Tübingen zu addressiren.

Meine Mutter empfiehlt sich bestens und wünschte nur einen so werthen Freund ihres Sohnes auch einmal auf ihrem heitern Zimmer bewirthen zu können.

Leben Sie recht wohl und empfehlen mich den werthen Ihrigen. Frankfurt den 24. Aug. 97.

Goethe. [256]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1797. An Christian Gottlob Voigt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-85E8-6