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An den Großherzog Carl August

[Concept.]

[30. November 1825?]

Ew. Königlichen

Hoheit habe vor allen Dingen verpflichteten Dank zu sagen für die beiden Bände Voltairischer Nachlassenschaft. Den ersten habe Ihro Kaiserlichen Hoheit, der Frau Erbgroßherzogin eingehändigt. Ich wüßte nichts Schreckliches in dieser Art gelesen zu haben: man glaubt sich unmittelbar in die Familie des Pelops versetzt; die Impietät gegen den alten Mann wetteifert mit den Grausamkeiten des Atreus und Thyest.

Redlicher, hübscher und treuer kann man dagegen nicht leicht einen Diener finden als Wagnière sich er erweiset.

Dagegen muß man denn freylich dem untreuen Longchamp seine Unredlichkeit verzeihen, da er uns die wichtigsten Blicke in das wüsteste Leben thun läßt.

Bey so hohem Stande, so großem Vermögen, so außerordentlichen Talenten führen diese vorzüglichen Menschen ein so dissolutes Lebe, daß es ganz unbegreiflich wäre, wenn man nicht nach und nach von den Zuständen so vieler Zeit- und Staatsgenossen wäre unterrichtet und zuletzt durch den Untergang des Reichs von der allgemeinen innern Verderbniß wäre[144] überzeugt worden. Indessen kann man sich des Lachens unmöglich enthalten, wenn wir den unziemlichen Situationen begegnen, die, einzig in ihrer Art, die einzigste Verkehrtheit andeuten!

2) Die mayländischen Briefe hefte mit Erlaubniß zu den übrigen, die ich von dortigen Verhältnissen besitze. Unser werther Cattanëo mag sich freylich gegen frühere Zeit sehr genirt fühlen; es scheint man vergibt ihm nicht den Antheil den er an der großen Epoche, wie sie das obere Italien im Stillen noch immer bezeichnet, freylich mit Leidenschaft, den damaligen Zuständen gemäß, genommen.

Lassen Höchst Dieselben an den guten wackern Mylius etwas gelangen, so würde ich bey der nächsten Sendung um das Trauerspiel: Adelchi von Alexander Manzoni und zwar um zwey Exemplare bitten. Ich wünsche eine Übersetzung davon zu veranstalten und dazu darf ich das Prachtexemplar, was ich besitze, nicht aufopfern. Verzeihung!

3) Das versteinte Gehölz und das daraus erbaute Schloß hat Adele Schopenhauer selbst gesehen, ohne zu wissen, was sie daraus machen sollte. Sie hat auf mein Ansuchen in die Nachbarschaft geschrieben; auch werde ich dieses Phänomens in einem Briefe nach Frankfurt dieser Tage gedenken.

4) Döbereiners kurzes Hierseyn hat mir eine sehr angenehme Unterhaltung und auf manches Befragen gar hübsche Aufschlüsse gegeben, wobey ich denn wahres [145] Bedauern empfand, nicht so mobil zu seyn, um von den jenaischen immer fortschreitenden Bestrebungen meinen genügenden Vortheil zu ziehen.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1825. An den Großherzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-85FF-3