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An Christiane von Goethe

So muß ich denn wohl auch vermelden wie es mir bisher gegangen. Bey gutem Wetter und leidlichem Wege, war ich Dienstag Mittage hier und wurde aufs beste und freundlichste empfangen. Es würde sehr anmaslich aussehen wenn ich schriftlich erzählen wollte mit wieviel Gnade und Auszeichnung man mich hier beglückt; das soll also auf's mündliche verspart seyn. Durchl. der Herzog ist wohl und munter, Fürstl. Lignowsky immer der alte. Prinzess Marianne von Sachsen hat nach dir gefragt und einen Grus an dich aufgetragen. Die Abschrift der Gedichte ist, durch unglaubliche Saumseligkeit der Post, erst gestern d. 18ten angekommen, und ist also 14 Tage unterwegs gewesen. Das ist aber auch zum Glück ausgeschlagen. Der Herzog schickte sie gleich Ihrer Majestät und nach Tafel bezahlt die Kayserinn auf die anmuthigste weise daß ich sie vorlesen sollte, welches wohl das sicherste Zeichen der Zufriedenheit war. Darauf erfuhr ich noch das Angenehme, daß einer der ersten Staatsmänner gegen mich vertraulich äusserte: er kenne gar wohl die Schwierigkeit der Aufgabe und sehe mit Vergnügen wie glücklich sie gelöst sey. Dies wird besonders Johnen freuen, welcher am besten weis wie bedencklich mir die Sache gewesen. Fast alle Morgen habe ich das Glück gehabt der [43] Kayserinn vorzulesen. Sie spricht meistens dazwischen und äussert sich über die bedeutendsten Gegenstände mit ausserordentlichem Geist und Originalität. Man kann sich kaum einen Begriff von ihren Vorzügen machen. Ihr werdet über gewisse Dinge die ich zu erzählen habe erstaunen, beynahe erschrecken.

Schon dreymal war ich zur Tafel geladen. Da ist sie denn, wo möglich, noch heitrer und anmutiger als sonst; sie neckt diesen oder jenen von den Gästen und reizt ihm zum Widerspruch, und weis der Sache zuletzt immer eine angenehme Wendung zu geben.

Und so müsst ich noch immer fort erzählen, ob ich mir gleich vornahm alles auf meine Rückkunft zu versparen. Gestern zeigte sie uns nach Tafel eine sogenannte Toilette, ein kostbar verziertes Kistchen worinn alle denckbare Bedürfnisse einer Reisewirthschaft enthalten sind. Die Kayserinn von Frankreich hat sie mitgebracht. Jedes einzelne Stück kann als ein Kunstwerck und Meisterstück betrachtet werden.

Ich wohne im goldnen Schiff, in der alten Ecke, der Herzog in den Zimmern des Königs von Holland. Die Aussicht ist sehr schön, ich wünschte wohl euch einen Mittag bewirthen und einen Abend mit euch ausfahren zu können. Die Pferde kommen mir sehr zu Gute, besonders da ich nach dem Bade fahren muß welches eine kleine Viertelstunde entfernt liegt. Frl. v. Steten hat mir das Paquet sogleich zugeschickt und ich habe daraus nicht viel, aber doch einiges von [44] Weimar vernommen. Gar wunderlich ist's hier mit den Preisen der Dinge, einiges wohlfeiler, andres theurer, im Ganzen würde es sich vielleicht gleichstellen.

Was meine Rückkunft betrifft kann ich soviel sagen: daß meine Absicht sey Sonntag d. 26ten hier abzureisen und also Montag Mittag bey euch zu seyn. Es ist mir auch ganz wahrscheinlich daß das die rechte Zeit seyn werde. Gewiß kann ich nichts sagen. Ändert sich's; so schreib ich. Dabey wünsche ich nur daß Ihr auch vergnügt Eure Tage zubringt und mit Ernst die Kur gebraucht.

Empfehlt mich allen Gönnern und Freunden. Sage Prinz Friedrich Durchl. daß ich nicht mit Beethoven seyn kann ohne zu wünschen daß es im goldnen Straus geschehen möge. Zusammengefaßter, energischer, inniger habe ich noch keinen Künstler gesehen. Ich begreife recht gut wie er gegen die Welt wunderlich stehn muß. Unserm trefflichen Meyer tausend Grüße. Euch alles Gute!

[Töplitz] Sonntag d. 19 Julius 1812.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1812. An Christiane von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8610-2