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An den Großherzog Carl August

Unterthänigster Vortrag!


Ew. Königliche Hoheit

haben vor einiger zeit befohlen, daß man ernstlich an die Ordnung des bis jetzt einigermaßen vernachlässigsten Münzkabinetts denken solle, da man denn bey näherer Betrachtung freylich eine bedeutende Arbeit vor sich sah; denn diese zweymal geflüchtete Sammlung konnte aus Zerrüttung und Verworrenheit durch einem bejahrtem Aufseher nicht wieder hergestellt werden.

Das Nöthigste bey dem neuen Angriff schien eine Vorarbeit, welche durch eine wunderliche bisherige Anordnung herbeygeführt wird. Man hatte nämlich Münzen und Medaillen fremder Länder mit zu den sächsischen Fürsten gelegt, welche sie verehrt hatten, wodurch die historische reihe unterbrochen und der eigentliche Zweck eines sächsischen Hauskabinetts wo nicht vereitelt, doch gestört wurde. Man ließ daher geräumige Schränke verfertigen, sie mit blauem Tuche auslegen, damit alles Fremdartige wohlgeordnet darin Platz nehmen und besonders katalogirt wer den könne. Dadurch würde der doppelte Vortheil entstehen, daß [10] man gedachte Münzen und Medaillen in gute anschauliche Ordnung brächte, zugleich aber in den Schränken des eigentlichen Hauptkabinetts der sächsischen Münzsammlung Platz gewänne, um auch daselbst eine neue Einrichtung bequemer herzustellen.

Indem man aber zu dieser Vorarbeit zu schreiten die Absicht hegt, so kommt dasjenige abermals zur Sprache, was schon früher mit Staatsminister von Voigt sel. öfters beredet worden, daß dieß nämlich ein Geschäft sey, welches nicht ohne besondere Remuneration könne unternommen und geführt werden, es sey nun, daß man für räthlicher zu halten, einem schon Angestellten die Arbeit übertragen wolle. Da man nun aber in den letzten Lebensjahren des genannten höchst verdienten Geschäftsmannes hierüber sich nicht entscheiden können, auch Höchst Denenselben deshalb unterthänigsten Vortrag zu thun nachher gezaudert, so ist eigentlich hierin die Ursache zu suchen, warum dieses Geschäft nicht mit Ernst angegriffen worden.

Nun aber hat man gegenwärtig dem Bibliothekar Rath Vulpius, welcher sich in jedem Sinne zu dieser Arbeit qualificirt, den Auftrag gegeben, die Lage der Sammlung genau aufzustehen und zu deren herzustellender Ordnung diensame Vorschläge zu thun; welches denn vorläufig von ihm geschehen, und sind so gleich neue Schränke zu abgemeldetem Zweck schon eingerichtet worden. In Gefolg aber trat er [11] mit einer Vorstellung hervor, welche beyzulegen wir kein Bedenken tragen; da sie den Plan enthält, wornach die Arbeit vorzunehmen, und demjenigen, der für sich selber spricht, wohl erlaubt wird lebhafter zu seyn, als es den Vorgesetzten geziemen möchte.

Es ist nämlich von einer Entschädigung die rede, die ein solcher Mann gar wohl erwarten darf, der die von seinem Hauptgeschäft übrig bleibende Zeit auf literarische Arbeit seit vielen Jahren verwendet, wodurch er sich im Stande findet, seine Haushaltung zu bestreiten und heranwachsende Kinder zu nützlichen Staatsbürger zu erziehen.

Wie hoch er aber den so zu nennenden literarischen jährlichen Erwerb gesteigert, liegt außer meiner Beurtheilung; dieß jedoch hab ich zu erwähnen, daß er vor allem auf das Emolument leisten muß, welches ihm seit vielen Jahren her in Jena zustoß, erst als dem der Schloßbibliothek Vorgesetzten, nachher als einem bey der neuen Einrichtung der akademischen Büchersammlung zugezogenen Mitarbeiter, es konnte sich immer auf 100 rh. belaufen. Hierauf hat er nun vorläufig renuncirt, um diesen Sommer alle zeit dem Münzkabinetts widmen zu können, welches ihm denn schon von dieser Seite zu einer Entschädigung Hoffnung laßt.

Daß er seine Remuneration als ein Fixum wünscht, ist ihm nicht zu verargen, indem bey näherer Betrachtung der Sache wohl vorauszusehen ist, daß das [12] Geschäft sich in die Länge ziehen möchte; denn wenn auch die Sammlung selbst bald in Ordnung zu richten seyn mag, so werden doch nach und nach die Katalogen eine neue Gestalt annehmen müssen. Wie man sich denn nicht läugnen darf, daß das Geschäft selbst durch ein minutioses Detail dem Angestellten manche unzuberechnende Zeit kosten wird.

Verehrungsvoll mich unterzeichnend.

Ew. Königlichen Hoheit

unterthänigst treugehorsamster

Weimar den 13. April 1822.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1822. An den Großherzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-861D-8