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An Philipp Seidel

Neapel d. 15. May 87.

Dein Brief vom 7. März hat mich gestern da ich vom Schiffe stieg empfangen, und deine treuen Worte waren mir herzlich willkommen.

Die Reise durch Sicilien ist denn auch glücklich vollbracht und wird mir ein unzerstörlicher Schatz auf mein ganzes Leben bleiben. Du sollst bey meiner Rückkunft manches hören. Besonders kann man sich keinen Begriff von der Fruchtbarkeit des innern Landes machen wenn man es nicht gesehn hat. Von Palermo auf Girgenti und von da auf Messina habe ich die Reise zu Pferde gemacht, und bin mit einem französchen Schiffe nach einer vierthalbtägigen Fahrt hier angekommen. Nun kann ich Fronleichnam und St. Peter in Rom feyern.

Was du von meiner Iphigenie sagst ist in gewissem Sinne leider wahr. Als ich mich um der Kunst und des Handwerckes willen entschließen mußte das Stück umzuschreiben, sah ich voraus daß die besten Stellen verlieren mußten wenn die schlechten und mittlern gewannen. Du hast zwey Scenen genannt, die offenbar verlohren haben. Aber wenn es gedruckt ist, dann [213] ließ es noch einmal ganz gelaßen, und du wirst fühlen was es als Ganzes gewonnen hat.

Doch liegt das Hauptübel in der wenigen Zeit die ich darauf verwenden können. Den ersten Entwurf schrieb ich unter dem Rekrouten Auslesen und führte ihn aus auf einer Italiänischen Reise. Was will daraus werden. Wenn ich Zeit hatte das Stück zu bearbeiten, so solltest du kleine Zeile der ersten Ausgabe vermißen.

Was ich machen kann wird man vielleicht aus einem Stück sehen, das ich auf dieser Reise erfunden und angefangen habe.

Was du mir von den übrigen Verhältnißen schreibst werde ich in einem feinen Herzen bewahren und Frucht bringen laßen. Da ich die Grille Carl des fünften hatte, mein Leichenbegängniß bey lebendigem Leibe anzusehen, darf es mich nicht wundern wenn Träger und Todtengräber nach ihrer Weise handlen und die Priester die Exequien anstimmen.

Übrigens bleibe ja dabey und ich fordre dich dazu auf, mir über alles was mich selbst angeht und was du sonst gut finden magst deine Meynung unverhohlen, ja ohne Einleitung und Entschuldigung zu sagen. Ich habe dich immer als einen meiner Schutzgeister angesehen, werde nicht müde dieses Ämtchen auch noch künftig beyher zu verwalten.

Inliegendes gieb an Frau v. Lichtenberg und grüße wieder einmal von mir nach der Reihe herum, [214] mit dem Vermelden, daß ich aus Sicilien zurückgekommen sey.

Hrn. v. Knebel kann ich meinen Garten nicht einräumen, ich habe Schlüßel und Besitz vor meiner Abreise an Fr. v. Stein abgetreten. Leite es auch so ein daß er sie nicht darum anspricht, sie cedirt ihn vielleicht aus Gefälligkeit aber ungern. Du wirst das schon auf eine gute Weise zu machen wissen.

Lebe wohl und gedencke meiner.

Was mögt ihr für Wetter gehabt haben? Mir haben in Sicilien mit unter große Kälte gefühlt. Hier ist wieder ein reiner herrlicher Himmel.

Wenn du mit der umlaufenden Post noch etwas nothwendiges zu sagen hast; so schreibe gleich, schicke mir aber nachher keine Briefe weiter nach Rom ich müßte es denn wieder verlangen. Ich werde so bald ich es mit Gewißheit kann dir meine neue Adresse schreiben. Lebe wohl. Gedencke mein.

G.


Kranz ist schon lange fort, ich behalte den Brief an ihn zurück.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1787. An Philipp Seidel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8642-3