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An Charlotte von Stein

Durch den Wagen, welcher meinen August hergebracht hat, erhalten Sie gleich wieder einige Nachricht von mir, der ich erst in einigen Wochen nachfolgen werde: denn der Aufenthalt ist hier doppelt schätzbar, da er außer seinem natürlichen Gute noch das politische Gute hat, in einem friedlichen Kreise zu liegen, wohin nur der Nachklang äußerer Widerwärtigkeiten gelangen kann.

Es thut mir herzlich leid, daß Sie der Gegenwart Ihres guten Sohnes beraubt worden. Ein Friede nach einem solchen Krankheit. In der Todesgefahr [392] sucht man nur das Leben zu retten und bringt oft nur soviel davon, ohne in das Detail hineinzusehen, wohl denken, was jene guten Länder leiden müssen.

Meine Beschäftigungen in dieser letzten Zeit waren der früheren gleich und ähnlich. Vielleicht läßt sich einiges, wenn ich zurück komme, mittheilen. Ich habe noch einige verschiedene Bücher und Manuscripte mitgetheilt worden, die mich unterhalten und mir manche heitre Stunde gemacht haben.

Corinna habe ich gelesen, und Sie kennen dieses Werk doch wohl auch, was Ihr Brief zweifelhaft läßt. Ich bin bestochen, um gut davon zu reden; aber ich glaube, daß ich es, auch ohne Bezug auf mich selbst, würdigen kann. Daß Wieland nicht ganz gerecht gegen das Werk ist, nimmt mich nicht Wunder. Sind doch die Mitverfasser auch nicht gerecht gegen ihn Die Franzosen und Engländer, von denen in dem Werk viel gesprochen wird, sind nicht zufrieden damit, und es ist nicht übel, daß die Deutschen auch nicht damit zufrieden sind, von denen darin geschwiegen wird.

Weimar ist also jetzt von unsern hohen Herrschaften ganz verlassen. Möchten sie doch unter guten Constellationen bald wieder glücklich dahin zurückkehren.

Genießen Sie des schönen Wetters auf den Spaziergängen, wo ich ihnen bald wieder zu begegnen hoffe.[393] Alsdann wird sich aus dem mitgebrachten Vorrath manches lassen, was Ihnen angenehm seyn kann.

Meine besten Wünsche!

Carlsbad den 23. August 1807.

G. [394]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1807. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-866A-B