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An Johann Heinrich Meyer

Ihren Brief mein lieber Meyer habe ich mit vieler Freude gelesen und mich dabey der schönen Stunden[25] erinnert, die wir mit einander zubrachten. Fahren Sie ja fort mir manchmal zu schreiben und durch Ihre Worte den nordischen Himmel aufzuhellen. Glauben Sie mir daß ich Ihre Liebe und Freundschaft recht lebhaft erkenne und erwiedre, wir wollen treu und eifrig jeder auf seinem Wege fortwandeln, biß wir einander wieder einmal antreffen und indessen durch Briefe eine Verbindung erhalten, die beyden Theilen gleich werth ist.

Ich kann und darf nicht sagen wieviel ich bey meiner Abreise von Rom gelitten habe, wie schmerzlich es mir war das schöne Land zu verlaßen, mein eifrigster Wunsch ist Sie dort wieder zu finden.

Mich hat besonders vergnügt daß Sie das Bild von der Circe im Farnesischen Pallaste sosehr loben, es war immer eine meiner Favoritkompositionen. Leider ist der Sinn in welchem es komponirt ist, sehr verschwunden und erloschen und unser lebendes Geschlecht möchte wohl meist das lobenswürdige daran zu tadeln geneigt seyn. Es ist dieses Bild eins von den Mustern wie der Mahler dichten soll und kann, Carrache habe es nun aus sich selbst oder von einem Alten.

Was mich gegenwärtig umgiebt, lädt nicht sehr zu Übung und Betrachtung der Kunst ein. Ich spinne den Faden im Stillen fort, in Hoffnung mich dereinst an demselben wieder in's glückliche Land zu finden. Leider ist meine Ankunft zu Ihnen nicht so [26] nah, wie sie Ihr zweyter Brief aus einigen Ausdrücken eines Briefes an Tischbein vermuthet. Im Geiste bin ich bey Ihnen, laßen Sie mich bald von Sich hören.

Wegen des Carrache hat mir Büry geschrieben und mir Ihre gemeinschaftliche Absicht bekannt gemacht. ich habe aus diesem Anerbieten Ihre freundschaftliche Gesinnungen mit herzlicher Freude erkannt. Verzeihen Sie wenn ich sie vielleicht nicht so zart erwiedre. Am Ende ist das Geld doch das Zeichen aller Nothwendigkeiten und Bequemlichkeiten des Lebens, ich finde es bildlich daß Sie beyde aus diesem Funde einigen Vortheil ziehen. Ich kenne einen Liebhaber der ein so gutes Bild zu besitzen verdient und der in dem Falle ist auch einen billigen Preiß dafür zu bezahlen. Es ist eine Person mit der ich in nahen Verhältnißen stehe, wollten Sie beyde ihr das Bild überlassen; so würde ich es auch genießen. Kommen Sie mit Büry überein was man fordern könnte und zeigen mirs an. Sie hören weiter von mir. Beharrten Sie aber auf Ihrem ersten Gedancken und wollten das Eigenthum dieses schönen Bildes sich vorbehalten und mich freundlich zum Verwahrer desselben machen; so laßen wir es zuförderst in Rom, biß ich sehe was aus mir werden kann.

Sie werden mich sehr verbinden wenn Sie von Zeit zu Zeit an mich dencken und einige gezeichnete Köpfe in den verschiedenen bekannten Manieren schicken. [27] Einige Freunde wünschen sehr auch etwas von Ihnen zu besitzen. Wäre der Raphaelische Johannes Kopf, den Tischbein besitzt nicht ein Gegenstand den Sie mir zeichnen möchten.

Grüßen Sie Tischbein, mit nächstem schreibe ich ihm. Der Herzog von Gotha, welchen ich diese Tage gesprochen, ist gegen ihn sehr gut gesinnt und disponirt, ich werde deßhalb weitläufig schreiben.

Hierbey ein Brief an Kniep. Ich bitte Sie zu würcken daß ich bald und recht bestimmte Antwort auf alle Punckte erhalte. Mehrere Personen hat Knieps Arbeit wohlgefallen und wenn er die erste Bestellung, die ich bey ihm mache, gut und zur gerechten Zeit liefert; so kann er sich eine gute Kundschafft machen.

Leben Sie wohl. Ich gedencke Ihrer oft mit warmer Liebe. Mein Wunsch ist eifrig Ihnen irgendwo in der Welt wieder zu begegnen, am liebsten an dem Orte wo wir uns zuerst kannten und wo wir beyde im eigentlichen Elemente sind. Adieu.

d. 19. Sept. 88. Weimar.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1788. An Johann Heinrich Meyer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-86C9-4