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An Christoph Ludwig Friedrich Schultz

Vor allen Dingen, mein Theuerster, muß ich Ihnen für das schöne Geschenk der Kupferbilder danken; ich hatte so sehr gewünscht sie zu besitzen, daß ich mir nicht getraute Ihre freundlichen Worte dahin auszulegen, daß sie mein seyn sollten. Dagegen geh ich damit um, das verkehrt vergrößerte Blatt in Steindruck nachbilden zu lassen; davon sollen Sie den ersten Abdruck haben; freylich möchte sich das bis zum Sommer verziehen, unsere ohnehin zaudernden Künstler haben das späte Jubilate sich noch zum größeren Säumen verführen lassen.

Der Aufsatz über Mantegnas Triumphzug wird Ihnen Freude machen, weil Sie Freund sind von meiner Auslegungsart, und ferner weil ich das Tüpfchen auf's i ganz eigentlich Ihrem Wohlwollen schuldig bin.

Mein Befinden, wenn es mich auch nicht zur Theilnahme an der Gesellschaft berechtigt, ist doch gerade hinreichend, mit Maaß und Ziel das Vorgenommene und Vorgezeichnete zu thun; Meyer und Riemer stehen mir redlich bey. Auch hab ich mich von sonstigen Mitwirkenden zu loben.

Meyer, ein Berliner Patriot, wie er kaum an Ort und Stelle zu finden seyn möchte, deshalb er sogar einige Anfechtung erleidet, empfehlt [210] sich zum allerschönsten und sendet seine cursorischen Betrachtungen Ihrer Kunstschätze; geschieht es mit Ihrer Genehmigung, so werden auch diese Blätter gedruckt; denn es geht doch mit uns Deutschen auf so eine nationale Rederey hinaus; gesprochen muß werden, herüber hinüber; was geschieht, bleibt dem Zufall unterworfen.

Wie nun aber geschrieben steht, daß denenjenigen, die das Wahre lieben, alle Dinge zum Besten gereichen, so muß ich Folgendes erzählen: zu meinem Auszug von Purkinje mußt ich nothwendig eine Nachbildung seiner Tafel hinzufügen, ein schwieriges, genau betrachtet, ein unmögliches Unternehmen. Ich frage bey Schwerdgeburth an, unserm geschicktesten Kupferstecher, der freylich das ganze Jahr mit Almanachs-Bilderchen, die gute a Conto tourniren, beschäftigt ist, wenn er diese Platte nicht selbst unternehmen wolle, ob er mir niemand, der sie unternähme, anzuzeigen wüßte.

Wie mußte mir nun zu Muthe seyn, als mir hinterbracht ward, Schwerdgeburth sey entzückt über den Auftrag, denn er habe früher dieselben Phänomene in seinem Auge bemerkt, sie für pathologisch gehalten, sie gezeichnet und einem Augenarzt zugeschickt.

Aus weiterer Verabrechnung und Thätigkeit wird gewiß etwas Erfreuliches hervorgehen.

Gegenwärtige Sendung möchte nicht länger liegen lassen, finde jedoch Ihr werthes Schreiben nicht gleich [211] zur Hand, gewiß also nicht, ob vielleicht in dieser Antwort mich einer Unterlassungssünde schuldig mache. Möge ich bald erfahren, daß Sie auch diesen unsern guten Willen gut aufgenommen; vor allem aber, daß sich Ihr Befinden mit der großen bedeutenden Thätigkeit einigermaßen in's Gleiche stelle.

treulichst

Weimar den 29. April 1821.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1821. An Christoph Ludwig Friedrich Schultz. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-86DA-D