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An Sulpiz Boisserée

Indem ich mich nach und nach von dem vielen Guten erhole, womit der siebente November mich überraschend beglückt hat, sehe ich mich zuerst nach Ihnen [232] um und wünsche zu vernehmen, wie sich Ihre Gesundheit diese Monate über gehalten hat; sodann aber erlaube ich mir die Anfrage, wie es mit Ihren Geschäften und Unternehmungen geht und ob wir auch an unserm Theil bald davon erwünschten Genuß hoffen dürfen? Wie steht es mit Ihrem Domwerk, wie mit den lithographirten Blättern? Lassen Sie mir, was davon fertig ist, gelegentlich zukommen.

Von mir kann ich soviel sagen, daß ich mich diese Monate her, ungeachtet disproportionirter Anforderungen an meine Persönlichkeit, nach meiner Weise sehr wohl befunden, aber auch wie wiederholt erfahren habe, daß man sich gegen Freude so gut als Schmerz zusammennehmen und rüsten müsse.

Vorstehendes eine Weile schon unter meinen Papieren zaudernd wird auf einmal aufgeregt durch freundlichen Brief und Sendung. Köstlich wie immer sind die lithographirten Blätter. Schon vor ihrer Ankunft ließen sich die Weimarischen Kunstfreunde in Rücksicht auf die früher gesendeten folgendermaßen vernehmen:

»Immer sind wir noch der Meynung daß die vorzüglichsten Blätter, welche Herr Strixner in Stuttgart nach Gemälden altniederländischer und deutscher Meister aus der Sammlung der Herren Boisserée und Bertram verfertigte, den Rang über alle andere Steindrücke behaupten. Die äußerst zarte, nette Ausführung, gewaltige Kraft und Tiefe der dunklen Partien,[233] im Bunde mit gewissenhaft treuer Darstellung des eigenthümlichen Charakters der Vorbilder, machen diese Blätter – (und wir zielen hier zunächst auf die spätere Wiederholung des heiligen Christophs nach Hemmling, wie auch auf die heilige Christina nach Schooreel) in doppelter Hinsicht hochschätzbar; theils verhelfen sie zu richtigen Begriffen über die Kunstbeschaffenheit der dargestellten alten Gemälde und dem was die Meister derselben zu leisten vermocht; theils gehören sie auch hinsichtlich auf die mechanische Ausbildung des Steindrucks zu den vollkommensten Productionen desselben.«

Vorliegendem sollte, mein Theuerster, noch einiges Allgemeine und Besondere vielleicht weniger Nöthige beygefügt werden, als Ihr wichtiger Brief anlangt, dessen Absicht und Inhalt wir zu schätzen wissen. Die beiderseitige Annäherung ist höchst erfreulich und so wird es wohl an einem völligen Abschluß zu nächst nicht fehlen. Gegenwärtiges erhalten Sie mit umgehender Post wie es vorlag, mit der nächsten das Weitere. Ich sehe es als höchst glücklich an daß unser seit so vielen Jahren wirksames Verhältniß sich in diesem Falle so treulich als trefflich in Wirksamkeit erweist.

Herrn v. Cotta die allerbesten Empfehlungen.

Herzlich danckbar, treu verbunden.

Weimar den 8. Januar 1826.

Goethe.


[234] [Beilage.]

Nichts angenehmeres hätte mir in gegenwärtiger Lage begegnen können als daß Sie abermals in dem mir so wichtigen Geschäft vermittelnd eintreten wollen; vielleicht sind Sie mit den Ihrigen die einzige Person welche mitempfinden kann, wie schwierig die Entschließung sey, wenn man den gesammten Schatz eines operosen Lebens einem Dritten übertragen und sich dessen gewissermaßen entäußern soll. Mein höchster Wunsch ist daß meine Vaterstadt möge das Glück haben zum endlichen Besitz Ihrer unvergleichlichen Sammlung zu gelangen.

Und so darf ich denn wohl sagen daß wir zwar höchst ungern aber doch in Betracht Ihres Zusprechens auf die frühere Summe wieder zurückzugehen, jedoch unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, daß uns wenigstens etwas auf andere Weise zu Gute komme.

Ohne daß ich es erwähne sagen Sie sich selbst, daß der Handel bey uns genugsam durchgesprochen, berechnet, geboten und überboten worden, so daß wir in diesem Falle uns schmeicheln dürfen nicht unklar zu seyn und ohne Grund zu handeln. Ich lege daher den abermaligen Entwurf eines Contracts bey.

Der fünfte Punct ist nach Herrn v. Cottas Verlangen abgefaßt, der sechste enthält eine geringe Vergütung wodurch die in der neuern Zeit gesteigerten Gebote keineswegs aufgewogen werden; der zehnte [235] enthält eine nach eigener dortiger Überzeugung unwahrscheinliche Hoffnung: daß man in der Folge langsam, nach und nach, die Früchte gegenwärtiger Entsagung genießen könne.

Die bisherigen Ereignisse, worauf wir diese Bedingungen fußen, will ich nicht weitläufig auseinandersetzen, es sey, genug zu sagen daß man erst nach und nach im Buchhandel die hohe Bedeutung des Unternehmens gewahr worden, daß große Gebote von sichern Häusern erfolgt und zugleich manches Angenehme, das Äußere der Ausgabe betreffend, zugesagt worden, ja daß man zuletzt im Gefolge der vollständig eingegangenen Privilegien ohne Bedenken ausgesprochen hat: die Angelegenheit sey für einen Einzelnen zu groß, man müsse sie durch Actien zu einer gesellschaftlichen erheben, wobey denn in der Ferne ein übermäßiger Gewinn gezeigt wurde. Mögen nun auch dergleichen Vorbildungen des Mercantilfundaments ermangeln, so zeugen sie doch von der großen, diesem Geschäft zugewendeten Aufmerksamkeit und von der mannichfaltigen Bewegung, welche dadurch in dem deutschen Buchhandel entstanden.


Entwurf.

1) Die neue Ausgabe von Goethischer Werke,

2) bestehend aus vierzig Bänden nach dem schon mitgetheilten Inhalts-Verzeichniß, [236] 3) wird der J. G. Cottaischen Buchhandlung zu Stuttgart überlassen und zwar

4) auf zwölf Jahre d.h. von Ostern 1826 bis Ostern 1838.

5) Der Betrag des Honorars ist vorerst auf

sechzigtausend Thaler sächsisch
nicht unter 1/6 Stücken festgesetzt.

6) Man bedingt sich jedoch außer vorgedachter Summe noch fünftausend Thaler in vorerwähnten Münzsorten bey Unterschrift des Contracts.

7) Die ganze Ausgabe wird in vier Jahren zu vollenden seyn, jährlich zwey Lieferungen jede zu fünf Bänden, welche der Autor successive abreicht, dagegen würde

8) von Messe zu Messe der achte Theil des Honorars mit 7500 Thalern sächsisch und zwar Ostern 1826 zum erstenmal, gezahlt.

9) Sind zwanzigtausend Exemplare abgesetzt, so tritt eine neue Berechnung ein und es werden

10) von jeden hiernächst abgesetzten eintausend Exemplaren dem Autor immer dreytausend Thaler, in vorerwähnten Münzforten gezahlt, und so fort.

11) Von den einzeln zu druckenden Theilen überläßt man dem Herrn Verleger jeden Vortheil allein und behält sich nur eine noch zu bestimmende Anzahl Freyexemplare vor.

12) Diese neue Ausgabe von 40 Bänden besteht

A. in einer anständigen Octav-Ausgabe,

[237] B. in einer Taschen-Ausgabe, bey beiden behält sich der Autor die Einwirkung bey Wahl des Formats, Papiers und der Lettern vor.

13) Ob nun gleich durch den Punct 10 der Zeitcontract aufgehoben scheint, so ist dieses jedoch nicht der Fall, sondern zu Anfang des 9. Jahres, treten beide theilnehmende Parteien zusammen und contrahiren auf's neue, nach Verabredung, in welcher Maaße der Contract festgesetzt werden soll. Käme alsdann, wie nicht wahrscheinlich, eine Vereinigung nicht zu Stande, so muß bey eröffneter Concurrenz dem Autor frey bleiben dem Mehr- oder Minderbietenden seine Rechte anzuvertrauen.

14) Die Übersicht über dieses ganze Geschäft wird durch eine doppelte Buchführung in noch näher zu bestimmender Maaße bedingt.

15) Der Subscriptionspreis wäre auf circa 20 Gulden festzusetzen.

16) Bedingt man sich die herkömmlichen Freyexemplare, wie solches auch bey der früheren Ausgabe statt gefunden.

Schließlich behält man sich vor, die beide contrahirende Theile gegen einander sicherstellenden juristischen Formen, in dem nach erfolgter Zustimmung in vorstehende Puncte förmlich zu entwerfenden Contract, noch nachzubringen.

pp. [238]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1826. An Sulpiz Boisserée. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-86F7-B