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An Charlotte von Stein

[Jena, 28. Mai.]

Ich muß dir meine Beste noch heute Abend schreiben, damit der Bote dir balde Morgen meinen Grus bringen kann. Wir haben einen schönen Tag gehabt und ich habe offt an dich gedacht. Jedes Gute hätte ich mit dir theilen mögen, und nur die Beschweerlichkeiten für mich allein behalten. Ich bin durch einige Fluren geritten, habe das Gut Pösen das denen Hellfelds gehört besehen, und daselbst eine sehr mittelmäsige, um nicht zu sagen schlechte Wirthschafft gefunden. Gleich darauf kamen wir zu einer Mühle der schönsten die ich ie gesehn, ob es gleich grösere giebt. Die Wirthschaffts Gebäude sind so artig aufgebaut, und die Haushaltung so ordentlich und gut [166] daß es mir eine Freude seyn wird dir alles zu beschreiben. Wenn das Glück nur einigermassen will, so belohnt sich in diesem Fache Verstand, Geschick und Fleis gar schön.

Fritzen traf ich in Maue wo er mit Götzen hingegangen war und wir assen da zusammen. Er hatte grose Lust auf die Leuchtenburg die er vor sich liegen sah zu gehen. Morgen laß ich ihn mit Magister Lenz hinfahren worauf er sich schon sehr freut.

Ein alter launiger Bauer machte uns bey Tische allerley Spas. Es giebt doch noch in dieser Klasse recht glückliche Menschen, wenn sie nur einigermassen wohlhabend sind und der Druck nicht zu starck auf ihnen liegt.

Abends fuhren wir auf der Saale bis Burgau, und gingen alsdenn völlig herein.

Wir begegneten der Obr. Ltnant Witzleben, die mit ihren Kindern auf dem Jenischen Jahrmarckt war. Sie sieht erbärmlich aus, klagt sehr über ihren Mann und grüsst dich. Lebe wohl meine Beste, und gieb dem Boten ein Wörtgen zurück.

Fritz schläft schon und hat mir aufgetragen dir seine Geschichte zu erzählen wie ich's denn auch gethan habe.

Grüse die guten Freunde, und sage dem Herzog und der Herzoginn ein geziemend Wort.

Liebe mich, denn das ist der Grund worauf mein ganzes Schicksaal gestickt ist. Ich bin dir immer nah[167] und möchte dir ieden guten Gedancken mittheilen. Lebe wohl, ich kann nicht vom Blatte wegkommen worauf du deine Augen heften wirst. Adieu noch einmal.

Vor Himmelfarth 83.

G. [168]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1783. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-86FC-1