8/2579.

An Carl Ludwig von Knebel

Rom d. 19. Febr. 87.

Deine theilnehmenden Briefe l. K. habe ich erhalten. Es ist mir um deint und des Herzogs willen lieb daß du mitgereist bist. Man soll sich nicht isoliren, denn man kann nicht isolirt bleiben, in Gesellschaft lernt man eher sich und andre tragen.

Endlich ist meine Abreise nach Neapel gegen Ende dieser Woche festgesetzt, das Wetter ist köstlich, ich nehme Tischbein mit und genieße in seiner Gesellschaft alles doppelt und dreyfach.

Diese letzte Zeit in Rom geht es ein wenig bunt über einander, in meinem Kopfe um so mehr, als der Zeichengeist in mich gefahren und ich seit 14 Tagen beständig gekritzelt und gesudelt habe. Ich schicke 10 Stückgen manigfaltiger Gegenden, die vielleicht nicht 3000 Schritte auseinander liegen. Ich hatte ihrer noch viel gezeichnet um die Abänderung der Gegenstände recht fühlbar zu machen, sie wurden aber nicht fertig.

In einer Schachtel, die Kranz mitbringt liegt ein Stück Bononischer Schwerspat und ein Stück Breccia Silicea d'Egitto für dich bey. Seidel wird dir sie einhändigen.

Wie vieles könnte ich mitbringen, wenn nicht der Transport zu theuer wäre, das hier mit nichts anzuschaffen ist.

[193] In wenigen Tagen gehts nach Neapel, dort erwartet mein eine neue Welt, die ich, wie die zerstückte hier, mit offnen und gesunden Augen anzusehen hoffe. Indeß bin ich immer fleisig. Nun wird an Tasso gearbeitet, der geendigt werden soll. Neue Ideen bieten sich mir zu hunderten dar, die ich vors erste ablehnen muß. Wenn mir das gute Geschick frohen Muth erhält; so kann ich viel und vielerley thun.

Der Vesuv wirft Asche und Steine aus und bey Nachtzeit sieht man den Gipfel in Feuer. Nun ein Lava Strom, und ich habe nichts weiter zu wünschen. Wegen Sicilien laß ich das Schicksal walten. Vorbereitet bin ich, wenn das Glück mich lockt, geh ich. Lebe du indessen wohl und hilf den Freunden leben. Gerne schrieb ich viel und interessantes. Ja ich wollte von Rom abscheidend, wenn ich Zeit hätte, nur über das was mir besonders vorgekommen und aufgefallen einen Quartband schreiben. Meine Lage war sehr glücklich und erwünscht hier, ich habe die 3 Monate recht radikal nutzen können, und wenn ich manches habe müßen bey Seite liegen lassen; so hab ich dagegen andre Theile gesehen und kennen lernen wie wenig Fremde in einer so kurzen Zeit. Rechnest du dazu daß ich die Hälfte der neuen Arbeit an Iphigenien hier gethan habe; so wirst du sagen, daß ich nicht müßig war. Übrigens ist Rom eine Welt und es gehört ein mehrjähriger Aufenthalt dazu um sagen [194] zu können: ich kenne sie nur einiger Massen. Meine größte Sorge war keinen falschen Begriff mitzunehmen.

Sehr wohl hab ich mit meinem Incognito gethan, doppelt und dreyfach. Ich habe Zeit und Geld gespart und habe doch lustig und bequem gelebt und Freunde mit genießen laßen.

Das Carneval muß man sehen, so wenig Vergnügen es gewährt; eben so ists mit den geistlichen Mummereyen.

Die Gegenden um Rom hab ich fast gar nicht gesehen. In Tivoli war ich nicht, nicht in Albano, das wird auf die Rückkunft aufbewahrt.

Ich bin wohl und das Wetter ist unbeschreiblich schön.

Daß du meinen Götz mitgenommen ist recht gut, wenn du ihn brauchen kannst; so behalte ihn biß ich wiederkomme, und gebrauche meines Hauses nach deinem Willen.

Lebe wohl. Auf der Reise nach Neapel wird viel gezeichnet, so der Himmel will, Tischbein geht mit. Wie leid thut es mir daß ich diese meine zweyte Jugend nicht auch mit dir verleben kann.

G.


Hierbey liegt für den Herzog ein Specimen hielandischer Naturgeschichte. Mir können mit Saamen von diesen Früchten aufwarten.

[195]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Rechtsinhaber*in
TextGrid

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1787. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8749-D