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An Johann Heinrich Wilhelm Tischbein

Aus beyliegenden vorläufigen Druckbogen ersehen Sie, mein Theuerster, daß ich mich diesen Sommer viel mit Ihnen beschäftigt. Es geschah in Marienbad, wo ich viel allein war und mir die vor kurzem an Sie zurückgesendeten Zeichnungen im Sinne schwebten. Da ward ich vom Geiste getrieben, meine Reime mit Prosa zu commentiren, wie ich vorher Ihre Zeichnungen mit Strophen begleitete. Möge das daraus Entstandene Ihnen Freude machen und Sie von meinem fortdauernden Antheil überzeugen.

Sobald ich nun nach hause kam, ward noch eine andere hiermit verwandte Anstalt getroffen. Ich brachte nämlich alles was von Ihrer Hand, zwar in meinem Wappen wohl aufgehoben, aber doch zerstreut lag, dem Format gemäß zusammen und habe nun drey Portefeuilles, sämmtlich Tischbeiniana, zu meiner und der Freunde anmuthigern Erinnerung und Aufregung, vor mir liegen. Das kleinste enthält auf bräunliche Großquartblättern alles, was in Octav, Quart und Kleinfolio sich vorfand. Das zweyte größere Folio, das dritte noch größere Blätter.

[211] Vom ersten liegt der Catalog bey, und ich darf wohl hoffen, daß Sie, mit der guten Ordnung und Aufbewahrung zufrieden, noch einiges dazu spenden werden, welches überhaupt Ihrem freundschaftlichen Künstlerherzen überlassen bleibe; doch mit dem zugefügten besondern Wunsch: ob Sie nicht Nr. 1 der Abtheilung IV, den Reisenden im weißen Mantel, auf dem Obelisk ausgestreckt, in einer zwar flüchtigen aber hinreichenden Zeichnung mittheilen wollten? Die hier angeführte ist kaum größer als ein Kartenblatt, nur wenig Feder- und Pinselzüge, dem geübtesten Schauer kaum lesbar; Quer-Kleinfolio wäre an dieser Stelle das passendste Format. Verzeihung diesem Wunsche! Ein solches Blatt würde der Hauptschmuck der Sammlung werden.

Mögen Sie mir ferner auch einiges mittheilen, was ich auf Verlangen sogleich zurücksende, so gäbe das eine gewisse Vollständigkeit des Anschauens vergangener Zeiten, die sich uns beiden, wenn ich mich zu meinem zweyten Aufenthalt im Rom wende, zum anmuthigen Dank früherer Zeiten heraufbauen dürfte.

Mit dem treulichsten Wünschen und den schönsten Grüßen an die lieben Ihrigen empfehle ich mich zu fortdauerndem freundschaftlichen Andenken.

treulichst

J. W. v. Goethe.

Weimar den [20.] December 1821.
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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1821. An Johann Heinrich Wilhelm Tischbein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8755-2