[165] 23/6383a.

An Christian Gottlob Voigt

Am 26. September 1812

begab ich mich in das Herrschaftliche Gebäude, welches zur künftigen Wohnung des Bibliotheksdieners gnädigst bestimmt ist, und fand dasselbe reinlich und ordentlich, die Zimmer ausgemalt, so daß vor der Hand keine Reparatur oder Erneuerung nöthig seyn möchte. In der ersten Etage hatte bisher der Berliner Kleinstäuber bey Venusens zur Miethe gewohnt, welcher im Ausziehn beschäftigt war; den zweyten bewohnte noch Demoiselle Venus, welche sich nicht zu Hause befand, den dritten aber der alte Aufwärter bey der Zeichenacademie Thomas, welchen Demoiselle Venus zu sich genommen hatte.

Gedachte Wohnung nun für die Folge einzutheilen ging meine Entscheidung dahin, daß Sachse, wenn Kleinstäuber und Demoiselle Venus ausgezogen seyn würden, die erste und zweyte Etage beziehn, Thomas aber die obere behalten sollte.

Ich eröffnete diese Gesinnung dem Bibliotheksdiener Sachse, worauf denn zwischen ihm und Thomas dasjenige zur Sprache kam, was in dem beyliegenden Sachsischen Schreiben vom 27. September nachzulesen bitte.

Ich sehe die Sache so an. Venusens haben den Vortheil, das Haus zu bewohnen, ja einen Theil[165] davon zu vermiethen sich so lange als möglich zu erhalten gesucht. Da es nun mag verlautet haben, daß Thomas eine freye Wohnung in demselben bekommen solle, so mögen sie ihn zu sich genommen und gegen ein Leidliches verköstiget haben um einen Fuß in dem Haus zu behalten, wie es jetzt durch Thomasens Erklärung an den Tag kommt.

Herzogliche Commission kann dieses nun keineswegs geschehn lassen; ich würde vielmehr folgende unmaßgebliche Vorschläge thun:

1) Demoiselle Venus betreffend, wäre derselben, daß sie das Haus zu räumen habe, sogleich zu insinuiren. Durch welche Instanz und durch wen, hierüber bin ich zweyfelhaft. Da es ein Herrschaftliches Haus ist und da es unter der Cammer steht, so wäre es vielleicht am besten, wenn diese Auflage ihr von dorther geschähe, welches Ew. Excellenz vielleicht einleiten möchten, da ohnedem Herzogliche Cammer erfahren muß, wer künftig das Haus zu bewohnen berechtigt ist. Ferner würde man

2) Sachen eine Verordnung geben, worin ihm die gnädigste Vergünstigung, daß er das Haus, wie es der Cammerdiener Venus vormals bewohnet, gleichfalls bewohnet, und also auch die Gräserey und das Obst benutzen könne, mit der Einschränkung, daß dem Zeichenacademie-Aufwärter Thomas gegenwärtig, und nach Befinden dessen Nachfolgern, der obere Stock und von dem Erdgeschoß soviel Raum übrig bleibt,[166] sein Holz und was ähnliche Bedürfnisse sind, unterzubringen.

3) Was den Thomas nunmehr selbst betrifft, so möchte wohl das beste seyn, Herrn Hofrath Meyer als seinem Vorgesetzten in einem kurzen commissarischen Erlaß die Nachricht zu ertheilen, daß man genanntem Aufwärter den obern Stock in jenem Hause zu bewohnen offen erhalten habe, wozu er durch diese commissarische Erklärung nunmehr berechtigt werde. Wolle er aber auf seiner unschicklichen Äußerung beharren, daß er mit der obersten Etage nicht zufrieden seyn, vielweniger sich von Demoiselle Venus trennen könne, so stehe es ihm frey, mit derselben auszuziehn und wo es ihm beliebe seine Wohnung zu nehmen. Über die successive Berichtigung dieser drey Puncte erbitte mir gefällige Äußerung.

Weimar den 28. September 1812.

G. [167]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1812. An Christian Gottlob Voigt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8763-2