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An August von Goethe

Marienbad den 22. August 1821.

Aus beyliegendem Tagebuch ersiehst du, daß ich für dießmal nichts weiter hier zu erfahren habe. Hätten wir die letzten drey Wochen her solches Wetter gehabt, so wäre die Cur ernstlicher und anhaltender zu behandeln gewesen; jetzt wieder von vorne anzufangen ist in keinem Sinne räthlich und es bleibt dabey, daß ich Sonntag den 26. von hier nach Eger gehe, wo ich sogleich die Ajeule besuche, wenn sie sich noch in Franzensbrunn befindet. Auf Gegenwärtiges richte deine Sendung nach Eger, bey Polizeirath Grüner, welcher immer wo ich zu treffen bin wissen wird.

Nun aber ersuche dich um Folgendes; bemühe dich um die Kunstausstellung zum 3. September, bespricht sie mit Müller und Hofrath Meyer, sobald er zurück ist. Sorge z.B., daß die aus Italien und England angekommenen Bilder ausgepackt und aufgestellt werden, erweise dich als einsichtig und thätig und merke wo es hinaus will.

Auch in Jena suche das nächst zu leiten und fortzusetzen, wobey ich dich denn ersuche: meine Wohnung so einzurichten, daß ich zu jeder Stunde einkehren kann. Es fehlt überhaupt an nichts als Betten und dann überlegst du, wie der Küche zu helfen sey? in den Jammer des vorigen Jahres möchte [53] ich nicht wieder eintreten. Meine Absicht wäre, bis zu Ende September in Jena zu verweilen, alle oberaufsichtlichen Gegenstände und Persönlichkeiten zu durchschauen, bey'm Abschluß des Michaelsquartals des Cassenwesen für ein Halbjahr zu ordnen, damit man sich den Winter über einer unausgesetzten Thätigkeit überlassen könne. Manches ausgearbeitet, vieles vorgearbeitet bringe ich mit. Die Hefte können eins auf's andere folgen.

Soviel für dießmal! Wetter und Weg haben mich diese drey Wochen her so lahm gemacht, daß ich an eine weitere Reise nicht denken mag. Überhaupt habe ich in dieser Außenwelt viel und gar nichts zu thun. Grüße Frau und Kinder , auch Ulriken, wenn sie gegenwärtig ist. Zufälligerweise findet sich eine recht artige Ulrike hier im Hause, so daß ich auf eine und die andere Weise immer ihrer zu gedenken habe.

Die Auszüge aus den Briefen waren mir sehr willkommen; einiges ist von hier aus besorgt, anderes wird nach meiner Rückkunft zu erwidern seyn, und nun wünschen mit allen wohl zu leben.

Das nächstemal von Eger aus, hoffe ich, das Mehrere.

G.


[Beilage.]

Marienbad den 22. August 1821.

Mittwoch den 15. Vollkommen bedeckter, abrieselnder Nebelhimmel, der die Kreuze nicht umkehrte.[54] Tochter der Luft. Varia rubricirt und die Schemata angedeutet. Mittag am Familientisch. Die Frau v. Heygendorf und Kinder speisen mit. Nach Tische Doctor Heidler über verschiedene Kranke und Wirkung des Brunnens. Abends bey'm Thee; einige Freunde. Briefe erhalten von meinem Sohn, Riemer und Boisserée.

Donnerstag den 16. Vorbereitung verschiedener Ausarbeitungen. Mattoni's untaugliche Mineralien. Kreishauptmann von Pilsen, Herr v. Breinl, eine eine Sendung von Zauper bringend. Bey schönem Sonnenschein spazieren gegangen; Zum Thee. Unterhaltung über verschiedene benachbarte Höhen, wo schöne Aussichten sind. Abschied von Frau v. Heygendorf.

Freytag den 17. Stufen von Przibram. Nochmaliger Abschied von Frau v. Heygendorf. Bestimmung der Polhöhe des Stiftes Töpel und Witterungstabelle für die drey letzten Monate, durch Herrn v. Breinl. An verschiedenen Aufsätzen fortgeschrieben. Visite bey Herrn v. Breinl und Cruikshank, welcher zum Besuch von Franzensbrunn herüber gefahren war. Zu Tische; nach Tische vor dem Hause bey leidlichem Wetter. Abends am Brunnen mit Conta. Verabredung wegen einer Fahrt in's Gebirge. Abends mit Herrn v. Fölkersahm am Kamin; der Thee kam nicht zusammen.

Sonnabend den 18. Erklärung des Versuchs vom 15. Einiges in die Collectanea, ingleichen an [55] den Aufsätzen revidirt. Halb eilf Uhr nach dem Ferdinandsbrunnen. Major v. Wartenberg daselbst gesprochen. Mittag zu Tische. Mit der Gesellschaft spazieren gefahren nach der Krugfabrik. Auf den Chausseehaufen dorthin merkwürdige Mineralien. Abends vor der Thüre: Beschreibung der Salzwerke zu Wielizka. Nachts für mich.

Sonntag den 19. Getrunken, verschiedenes bedacht und dictirt, auch schematisirt. Taufe des Doctor Heidlerischen Kindes in der Capelle. Gevatter stand Großfürst Michael. Besuchte mich Hofrath Dorl und Herr v. Münchhausen; ferner Herr v. Lyncker und Conta; letzterer die morgende Partie absagend; ersterer einladend zu einer Fahrt nach Töpel. Herr Geh. Rath Philippi. Kupferstecher Roßmäßler, bringend Abbildung von Marienbad. Junks Schriften zweyter Theil. Zu Tische. Einiges an den concipirten Schriften. Gegend Abend auf das Belvedere. Verabredung wegen der übermorgenden Fahrt. Ball im Traiteurhause des Nachts.

Montag den 20. Früh aufgestanden. Erster vollkommen heiterer Tag. Um 8 Uhr eine Fahrt begonnen auf Hohdorf pp. (Besonders zu beschreiben). Um 11 Uhr zurück. Mineralogica.

Dienstag den 21. Eben so schöner Morgen. Nasch 9 Uhr, mit der Troschke des Prälaten, abgefahren, nach überstandenem schlimmen Weg nach 12 Uhr angekommen. Heiter gemahlte Säle, große Gesellschaft[56] aus Marienbad, alles froh über das gute Wetter. Gute Tafel; nachher im Kloster umhergeführt. Abgefahren 3 1/2 Uhr, auf einem andern, theilweise sehr schlechten Weg zurückgefahren. Um 6 Uhr zu Hause. Und so hätte ich denn in diesen zwey Tagen die nächste Umgegend glücklich kennen gelernt, wovon eine umständlichere Erzählung, besonders abgefaßt, das weitere melden wird.

Mittwoch den 22. Gleich schöner Morgen. Die Notizen in's Reine. Vorbereitung zur Abfahrt. Deine Briefe erhalte gewöhnlich Mittwoch Abend. Sie laufen bis vier Tage.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1821. An August von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8775-9