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An Carl Friedrich Zelter

Und so wären wir denn durch die Ankunst der guten Doris dir wirklich um soviel näher gerückt, und ob mir gleich Berlin und dein Wirkungskreis in dieser Königstadt ziemlich gegenwärtig sind, so ist es denn doch höchst erfreulich, gewisse Einzelnheiten sich aufklären zu sehen.

Sie hat so mancherlei mitgebracht, daß ich nicht begreife wie man dergleichen Gepäck im Eilwagen unterbringt. Zuvörderst also meine Briefe, welche schon zwischen die deinigen eingeschoben sind. Die Summe der letzten betragen 41, die der ersten 32. Du hast also um soviel Schritte Vorsprung; versäume nicht, in diesem Jahr mich abermals zu überbieten. Gesteh ich's nur, meine Zustände sind aus soviel kleinen Theilen zusammengesetzt, daß man beynahe fürchten müßte, das Ganze würde sich zunächst verkrümeln; bey dir gibt's doch noch Massen, daraus lebendige Genüsse hervorgehen, wodurch der unausweichliche Verdruß wieder verschmerzt und aufgehoben wird.

[204] Herrn Friedländer kannst du vorkäufig für die Medaille schönsten danken; sie hat mich und Meyern als ein wahres Kleinod höchlich erfreut, auch nimmt sie sich in der Reihe ihrer Geschwister gar vortheilhaft aus. Da die freundlichen Sender schon mit meiner Medaille versehen sind, so sollen einige ältere schätzenswerthe Stücke dankbar sich einfinden. Unter den von meinem Sohn aus Mailand gesendeten Münzen haben sich einige Dubletten gefunden.

Das Büchlein von Judas Makkabäus nimmt sich gut aus; die alten Fabel: Überwundete, Bedrückte erst buldend, dann sich auflehnend, nach wechselndem Erfolg sich zuletzt doch befreyend, ist ein sehr günstiges Thema, der Musik besonders zusagend.

Der Text von Jouy zur Spontini'schen Oper ist wirklich bewundernswürdig. Ich hab ihn erst einmal durchgelesen. Große Einsicht in das theatralisch Wirksame, glückliche erneute Benutzung solcher Situationen, denen man niemals ausweicht, mitten im Strome einer theils feyerlichen, theils leidenschaftlichen Bewegung recht hübsche Ruhepuncte, wo sich gemüthlicher Gesang ergehen kann, brausende, gut gruppirte und bewegte Finales. Wer den dritten Act auszuhalten hat, der mag eine Herz- und Sinnenstärkung bey der Hand haben. Übrigens wüßt ich keine Stelle abzurathen und zu verändern, ich werde nur loben können und aus dem rechten Standpuncte meine gute Meynung gründlich motiviren.

[205] Wegen der gewünschten Mittheilung hab ich Scrupel, es ist eine gar kitzliche Sache. Doch wollen wir das Weitere bedenken und überlegen.

Mit der kleinen Facius wird sich's machen, die Sustentation noch auf ein Jahr ist schon so gut wie gewährt; die Gegenwart des Professor Rauch in Berlin wird ihr auf alle Fälle höchst förderlich seyn. Wer aufhört, mit den Meistern seiner Kunst zu conversiren, der kommt nicht vorwärts und ist immer in Gefahr zurückzuschwanken. Von jedem Talent soll man ein unermüdetes Bestreben, eine Selbstverläugnung fordern, von der sich aber niemand einen Begriff macht noch machen will. Jeder möchte die Kunst gern auf seine eigne Weise besitzen, sie aber will nur auf die ihrige geworben und erworben seyn. Wie oft sey ich Talente die sich gebärden wie eine Wespe an der Fensterscheibe; sie möchten das Undurchdringliche mit dem Kopf durchbohren; das ginge, denken sie, weil es durchsichtig ist.

Die Eigenheit deiner Tonwelt vernehm ich nun genauer durch die gute Doeis. Wie viele haben denn eine Ahnung von der einsichtigen Gewalt die erfordert wird, um einen solchen Körper zusammenzuhalten.

Ungesäumt, unverwandt,

so fort an!

W. d. 14. Jan. 1832.

G. [206]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1832. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-877C-C