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An den Großherzog Carl August

[Concept.]

Ew. Königlichen Hoheit

mit einem zwar kurzgefaßten, aber doch mannichfaltigen Vortrag wieder einmal aufzuwarten scheint mir hohe Zeit; es sind auch diese beiden Wochen nicht unfruchtbar gewesen und läßt sich einiges davon mittheilen.

Daß Höchstdieselben so schöne Tage und Abende hier verlebt, wie sie uns durch Ihro Gegenwart gegönnt, hat uns allen die größte Freude gemacht, Zeither lebten wir unter wolkigem Himmel, in kalter Luft und nur seit einigen Tagen fangen wir wieder an uns zu erwärmen und zu erholen; leider wird es drüben auch nicht besser gewesen seyn.

1. Der Grund zum neuen Glashaus ist nun aus der Erde. Götze visitirt fleißig die aufsteigenden Mauern. Es ist hier schwerer als vielleicht irgendwo, [111] Baulichkeiten aufzuführen; die Meister hängen von ihren Gesellen ab, und es gehört eine besondere Wendung dazu, um zwischen Meister und Gesellen den Meister zu spielen.

2. Indessen ist denn doch der untere Bibliothekssaal fertig, rein gescheuert und ausgetrocknet, so daß dem guten Güldenapfel nichts im Wege steht, die Theologie zu ordnen, insofern sie zu ordnen ist. Die gewonnenen Räume machen eine freye Behandlung der Aufstellung möglich und bequem.

Vulpius fährt fort, die Deductionen im Detail zu verzeichnen; Weller die alten Zeitbroschüren. Man wird davon einzelne Catalogen fertigen, um den Hauptcatalog, welcher alsdann nur zu verweisen braucht, nicht zu überlasten. Es kommen die wunderlichsten Dinge zum Vorschein, höchst angenehm für den, der in das Vergangene zurückblicken mag.

3. Die Restauration des Rathhauses geht auch vorwärts. Es ist gut, daß man sie unternommen, ohne die obwaltenden Schwierigkeiten zu bedenken. Zwey Personen, die sich eben finden, machen die Sache möglich. Ein Tischler, welcher Lust am Bosseln hat, und mein Haus- und Canzleygenosse John, der Heideloffischen Künste nicht unkundig. Dieser hat auf den Hauptbildern den Namen des Mahler E. Collier entdeckt, worüber nun Füßli um Rath zu fragen ist; die gereinigten und gefirnißten nehmen sich schon wieder recht gut aus.

[112] 4. Hofbildhauer Kaufmann war bey mir, und hat kurze Relation seines Thuns und Treibens gegeben; er versichert, Höchstdieselben seyen zufrieden mit der Marmorbüste, die Frau Erbgroßherzogin vorstellend. Er wünscht neuen Urlaub und verspricht, die goldnen Thürzierrathen in Berlin zu verfertigen. Die Gewährung seines Gesuchs hängt von Ew. Hoheit ab, ich wüßt ihm nichts entgegen zu setzen, denn gerade jene Zierrathen, die er noch schuldig ist, würden unter Anleitungen von Tieck und Rauch, besonders wenn man diesen Männern ein gutes Wort gäbe, wozu ich erbötig bin, wahrscheinlich besser gerathen als in seinem weimarischen Verhältniß.

5. Übergehen darf ich nicht, daß Lenz eine herrliche Sendung ungarischer Stufen erhalten hat, an denen er sich doch erfreut; um ihm diese Freude nicht zu vermindern, habe ein paar Schränke verwilligt und so ist ist er wieder auf eine ganze Weile vom besten Humor.

6. Möchten Ew. Königl. Hoheit mir die goldne Medaille für den Grafen Bademar gegenwärtig gewähren, so würde ich ihn damit bey seiner Rückkehr von einer Reise in die Nordlande nebst einem freundlichen Schreiben empfangen und dadurch seinen Eifer für unsere Anstalt gerade in dem Augenblicke beleben, wo er uns am nützlichsten seyn kann.

7. Nun aber durch einen Sprung wieder in die neuste vegetative Natur zu gelangen! Der ganz unmäßige[113] Honigthau hat meine Umgebung zu Bemerkungen, Betrachtungen, Untersuchungen aufgeregt, wovon die Resultate schriftlich hier beykommen mit einem betropften und lackirten Steine. Es ist gut, daß man solche Phänomene in dem eminentesten Falle auffaßt und bemerkt, weil man alsdann ihrer Natur und Eigenschaft eher beykommt.

10. Von dem Zwätzner gewaltsamen Feuer stehen uns nun auch die Resultate bevor. Vergangnen Sonntag war ich unten mit Döbereiner; er deponirte die Ziegelerde, die sich in Säulen bilden soll, in die Hände des Werkmeisters, ich aber mehrere Gebirgsarten.

Zufällig ist dem Rentamtmann Lange eine Erscheinung gelungen, die wie sehr gerne wiederholen möchten: ein Kieselschiefer hat sich, im Glühfeuer, in die allerschönsten Tafeln gesondert, welche einen Vulkanischen höchlich entzücken müssen. Von solchen Phänomenen, die mich schon längst im Stillen interessiren, und von denen ich schöne Exemplare zusammengebracht, denke nun, bey diesen neueren Anregungen, eine eigene Sammlung zu veranstalten, welche man aber keinem Neptunisten in Verwahrung geben darf. Auch jenes, durch Hofmarschall v. Spiegel mir gnädigst übersendete Feuerproduct dürfte hier gleichfalls nicht vermißt werden.

11. Wundersam, aber doch der Erfahrung gemäß ist es, daß man, nur einmal aufmerksam gemacht, [114] das Seltsame immer wieder entdeckt. Die Liebstädter Schädel, welche mir zugekommen, haben einen unmittelbaren filzartigen Überzug, der aus den feinsten Wurzeln besteht, die sich über den Knochen verbreitet haben. Leider hat man diese Knochentheile reine überschicken wollen und sie von der Filzepiderm gereinigt; auch ich hätte, ohne jene Linden-Erfahrung, dasjenige, was ich nun sorgfältig verwahre und vorlegen werde, als etwas Unnützes bey Seite geschafft.

12. Zu meinem besondern Vergnügen hat man mir von Frankfurt geschrieben, daß Minister v. Stein mit meinen diplomatisch-bibliothekarischen Bemühungen zufrieden ist; leider werd ich sie nicht lange fortsetzen können, denn unsere Manuscriptenzahl in Bezug auf altdeutsche Geschichtsquellen ist freylich sehr gering. Herr v. Stein hat sich nur einen Tag in Frankfurt aufgehalten, durchreisend nach der Schweiz.

13. Hofmechanicus Otteny ist in diesen Tagen mit Tod abgegangen; ich nehme mir die Freyheit einen kurzen unterthänigsten Vortrag, wegen künftiger Verwendung seines kleinen Gehaltes, beyzulegen.

14. Und nun noch schließlich zu einer lebendigen, höchst erfreulichen Anschauung: ich meine das Bildchen von Julius Roman. Da es uns nicht immer beschieden ist, an fürstlichen Tafeln zu schmausen und man sich, nach dem Evangelium, auch wohl mit Brosamen, mit Abhub begnügen mag, so ist dieses gar ein kostbarer Bissen, der eine Weile nachhält. [115] Die Übersendung dankbarlichst anerkennend erbitte mir die Erlaubniß, das Bildchen noch einige Zeit vor Augen zu haben.

Jena den 13. Julius 1820.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1820. An den Großherzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8797-C